Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
Signorina, Ihnen kann ich keinen Wunsch abschlagen.«
»Sie dürfen Hippolyt Hermanus nicht erzählen, dass ich im Piemont bin. Er denkt wirklich, ich wäre nach Amerika geflogen.«
Maresciallo nahm einen Bleistift und drehte ihn zwischen den Fingern. »Das ist nicht gut, Signorina. Ich bin Amtsträger, der Wahrheit verpflichtet. Und der Professore hat mich in sein Vertrauen gezogen, da kann ich ihn nicht belügen.«
Sabrina beugte sich über den Tisch. »Sie sollen doch nicht lügen, Maresciallo, es nur nicht erwähnen, dass ich hier bin. Hipp wird gar nicht nach mir fragen, verstehen Sie.«
Viberti wog bedächtig den Kopf hin und her. Dann gab er sich einen Ruck. »Signorina Sabrina, wer kann Ihrem Charme widerstehen? Einverstanden. Solange der Professore nicht ausdrücklich nach Ihnen fragt, werde ich einfach vergessen, dass Sie hier waren. Es fällt mir nicht leicht, aber …«
»Maresciallo, denken Sie an unser Mittagessen.«
»Sì, sì, Signorina, Sie haben erkannt, dass ich ein weiches Herz habe. Aber nun verraten Sie mir, was Sie herführt?«
»Ich hoffe, dass ich im Piemont, hier, wo alles angefangen hat, mein Gedächtnis wiedererlange. Ich will die Lücke in meiner Erinnerung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schließen.«
»Ich verstehe. Waren Sie schon am Unfallort?«
»Ja, Fabri hat ihn mir gezeigt. Aber der zündende Funke ist leider nicht übergesprungen.«
»Fabri, ein guter Junge. Er geht momentan durch schwere Zeiten. Erst macht sich der Vater davon, er muss sich alleine um das Weingut kümmern, außerdem seine Mutter trösten. Und jetzt wird nach seinem Vater wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung gefahndet. Non è facile.«
»Ich würde gerne wissen, ob Sie eine Theorie haben, warum mich Gianfranco umbringen möchte, wenn es denn so sein sollte.«
»Es spricht alles dafür, purtroppo. Sie wollen wissen, ob ich eine Theorie habe?« Viberti sah an die Decke seines Amtszimmers. »In der Tat, ja. Ich habe eine Arbeitshypothese entwickelt, die von folgender Annahme ausgeht …«
Maresciallo Viberti brauchte zehn Minuten, um Sabrina das Szenario zu beschreiben. Eigentlich wollte er noch erwähnen, dass er diese in höchstem Maße plausible Geschichte gewissermaßen im Dialog mit Hipp entwickelt hatte, aber als Sabrina ausdrücklich seinen Scharfsinn und seine Kombinationsgabe lobte, da war ihm dieser Vorsatz abhanden gekommen. Umgekehrt vermied es Sabrina, darauf hinzuweisen, dass sie das eine oder andere Detail schon mal von Hipp gehört hatte, allerdings nicht in dieser Geschlossenheit.
»Aber um ehrlich zu sein«, sagte Sabrina, »kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass Eva-Maria ein Verhältnis mit Fabris Vater hatte.«
Viberti klopfte mit dem Bleistift auf den Tisch. »Signorina, warum nicht? Eva-Maria war ein hübsches Mädchen.«
»Das schon, aber Gianfranco ist doch viel zu alt.«
Viberti sah Sabrina verwundert an. »Finden Sie wirklich? Nach meiner Erfahrung gibt es bei Männern keine Altersgrenze.«
»Nach Ihrer Erfahrung?«
»Als Maresciallo bei den Carabinieri habe ich viel Erfahrung, glauben Sie mir. Durch meine Arbeit blättere ich jeden Tag im Buch des Lebens.«
»Selbstverständlich. Maresciallo, wann, glauben Sie, wird die Polizei Gianfranco Angelo …«
Das Telefon klingelte. Entschuldigend hob Viberti die Hand. »Pronto«, meldete er sich. Sekunden später klingelte der zweite Apparat. Der Maresciallo nahm auch diesen Anruf entgegen, um nun mit erstaunlichem Geschick beide Gespräche gleichzeitig zu führen. Dass es dabei um eine ganz besondere Weinlieferung ging, bekam sie sehr schnell mit. Was es in diesem Zusammenhang aber mit abgehörten Telefonaten, fingierten Papieren und einem Sondereinsatzkommando auf sich hatte, blieb ihrer Phantasie überlassen.
Als Viberti schließlich fertig war, sank er erschöpft auf seinen Stuhl zurück und lockerte seinen Krawattenknoten.
»Habe ich richtig verstanden?«, fragte Sabrina. »Geht es hier um Weinlieferungen, die …«
Viberti faltete beschwörend die Hände. »Signorina, tun Sie mir bitte einen Gefallen und verstehen Sie nichts, gar nichts. Zu Ihrer letzten Frage. Wir haben keine Ahnung, wann wir Gianfranco Angelo festnehmen werden. Passen Sie also weiter auf sich auf. Wenngleich ich sicher bin, dass Sie hier in keinster Weise gefährdet sind. Gianfranco kann sich hier nicht blicken lassen, jeder kennt ihn, jedes Kind, jede Katze, jeder Hund. Er wird einen Teufel tun.«
»Ja, hoffen
Weitere Kostenlose Bücher