Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
wieder scheuchten ihn absurde Träume auf. Carlo, der ihm ins Gesicht spuckte und ihm vorwarf, seine und Marias Gastfreundschaft auf schändlichste Weise missbraucht zu haben. Steinknecht, in der Tiefkühltruhe liegend, mit klammen Fäusten gegen den verschlossenen Deckel schlagend. Gina, die ihn auslachte und mit einem Pflasterstein auf ihn losging. Roberta, die Sabrina lüstern die Kleider vom Leib riss. Rettenstein, der sich die abgebrochene Flasche aus dem blutenden Hals zog, um auf dem Etikett den Jahrgang zu überprüfen …
Dazwischen zuckten glasklare Gedanken durch seinen Kopf. Sie alle kreisten um die Morde an Ildefonso, Rettenstein und Steinknecht. Gedanken, die ihn noch weniger schlafen ließen als die Phantastereien.
Mehrfach stand er auf, lief barfuß herum, versuchte aber Sabrina nicht zu stören. Er nahm sein Notebook, ging ins Bad und setzte sich auf die Wanne. Schließlich nahm er eine Dusche. Dann wieder ins Bett.
Hipp war froh, als es am nächsten Morgen endlich dämmerte, als ihn der Tag von dieser endlosen Nacht erlöste. Er zog sich an, ließ Sabrina schlafen und ging im Regen spazieren. Später saßen sie zusammen beim Frühstück. Dann holten sie sein Auto ab. Während Sabrina zurück ins Hotel fuhr, machte er eine längere Probefahrt. Dabei wählte er erneut die Straße hinauf nach Altavilla. Er blieb vor Rettensteins Haus stehen, stieg über den Zaun und schlenderte durch den weitläufigen Garten. Er kam zum Holzkreuz, das an die Katze Sulawesi erinnerte, sah zum Fenster im ersten Stock, von wo ihn Maria angesprochen hatte, wanderte hinauf zur Mauer, hinter der sich der Wald anschloss, in dem der Teppich gefunden wurde. Die Mauer war leicht zu übersteigen. Hipp lief einige Minuten im Wald herum, kehrte dann zum Haus zurück und schließlich zum Auto. Er fuhr weiter nach Neive, stand vor den geschlossenen Rollläden von Carlos Enoteca und trank im Covo di Vino einen Cappuccino.
Es war gegen zwölf, als er ins Hotel zurückkehrte. Sabrina hatte bereits ihr Reisegepäck und die Einkaufstüten im Auto verstaut. Direkt nach dem Mittagessen mit Viberti werde sie die Heimreise antreten, sagte sie. Es gebe in ihrem Weingut einige dringende Entscheidungen zu treffen. Ob Hipp zu seiner Giulietta genug Vertrauen habe, um ohne Begleitfahrzeug zu fahren?
Das sei kein Problem, antwortete er. Außerdem bleibe er womöglich noch eine Nacht.
Als ihm Sabrina mit dem Zeigefinger drohte, versicherte er, dass er sich von Gina und Roberta fernhalten werde. Apropos, was sie noch nicht wissen könne, die beiden seien bei ihrem bevorstehenden Mittagessen dabei. Er habe Viberti diesen Vorschlag gemacht, immerhin habe er Gina mal fälschlicherweise verdächtigt, also auch hier was gutzumachen. Und Roberta sei eine Zierde ihres Geschlechts und werde ihm gewiss gefallen. Der Gedanke, gleich mit drei attraktiven Damen zu speisen, habe den Maresciallo so in Verzückung versetzt, dass die Mehrkosten offenbar keine Rolle mehr spielten. Er werde sie um dreizehn Uhr in einer Osteria erwarten. Dort hätten sie einen Tisch in einem kleinen Nebenraum.
Die Erweiterung des Kreises sei eine nette Idee, sagte Sabrina. Dann wäre die Stimmung ausgelassener.
Der Maresciallo löste bei seinen Gästen großes Erstaunen aus. Noch nie hatten sie ihn ohne Uniform gesehen. Und jetzt stand er im eleganten Anzug vor ihnen, mit grauer Weste und Einstecktuch. Fast hätten sie ihn nicht wiedererkannt, so massiv war die Persönlichkeitsveränderung. Sabrina und Gina überschütteten ihn mit Komplimenten, die er verlegen lächelnd abwehrte. Roberta freute sich über einen Handkuss der alten Schule.
Sie nahmen an einem großen ovalen Tisch Platz. Viberti gab dem Ober ein Zeichen. Schon perlte der Spumante in die Gläser. Der Maresciallo stand auf, hieß seine Gäste herzlich willkommen, dankte Hipp für seine Hilfe bei der Aufklärung der Mordfälle, sagte, dass er sich angesichts gleich dreier schöner Frauen hoch geehrt fühle, dass er insbesondere auch Gina Zazzari alles Gute auf ihrem weiteren Lebensweg wünsche. Dann fragte er, ob Hipp seine Rede, die er ihm gegenüber angekündigt habe, jetzt gleich halten wolle oder erst später.
»Du hältst eine Rede?«, fragte Sabrina verwundert.
Nicht wirklich, sagte Hipp, er wolle nur einige Gedanken in Worte fassen, die ihm wichtig scheinen würden.
»Klingt sehr philosophisch«, befand Gina.
Das nun gerade nicht, relativierte Hipp die Erwartungen. Um Vibertis Frage zu beantworten: Er
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