Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
würde sich gerne erst nach dem Dessert zu Wort melden.
Das genau sei auch sein Vorschlag gewesen, sagte Viberti. Zunächst sollte man sich mit allen Sinnen den kulinarischen Freuden zuwenden. Er wünsche guten Appetit, buon appetito!
Wie beim Maresciallo nicht anders zu erwarten, wurde groß aufgetischt. Carne cruda all’Albese*. Raviolini di fonduta – con tartufo bianco! Wobei es Viberti höchstpersönlich übernahm, eine weiße Trüffel über die Pasta zu hobeln. Es folgten Perlhuhnbrüstchen, Faraona al rosmarino.
Weil es dazu auch vortrefflichen Wein zu trinken gab, zunächst einen Arneis von Bruno Giacosa, dann einen Barolo von Aldo Conterno aus Monforte, wurde die Stimmung zunehmend ausgelassener. Der Maresciallo charmierte mit den Damen, ließ sich sogar zu einigen anzüglichen Witzen verleiten. Sabrina kam bereits nach dem Weißwein zu dem Schluss, dass auch sie noch eine Nacht in Alba dranhängen werde, nach diesem mittäglichen Gelage könne sie es nicht verantworten, sich ans Steuer ihres Autos zu setzen. In diesem Falle drohe dem Maresciallo eine Anzeige wegen Verleitung zu einer Straftat. Gina erzählte vom Avvocato Romagnosi, der es nicht lassen könne, ihr Avancen zu machen. Roberta kannte viele Anekdoten aus der Modebranche …
Nur Hipp beteiligte sich kaum an den Gesprächen. Er nahm sein Mobiltelefon, entschuldigte sich und verließ kurz den Raum. Wieder zurück setzte er sich still an seinen Platz. Er stocherte im Essen herum, als ob es ihm nicht schmecken würde. Er rotierte den Wein und sah ihm bei der Rundreise im Glas zu. Dann folgte er wieder der Unterhaltung, wortlos in die Gesichter sehend, ganz so, als ob er nicht dazugehören würde.
Auf Sabrinas Frage, ob ihm was fehle, gab er keine Antwort. Sie schob seine schlechte Laune auf die letzte Nacht, in der er kaum geschlafen hatte.
Als sie schließlich mit dem Dessert fertig waren, Viberti hatte ein halbgefrorenes Torrone-Parfait* gewählt, stand Gina auf und klopfte ans Glas.
»Ich möchte mich bei Hipp bedanken«, sagte sie, »der …«
»Vielen Dank, aber ich möchte das nicht!«, unterbrach Hipp sie.
Gina warf Sabrina einen überraschten Blick zu. Diese zuckte ratlos mit den Schultern.
»Dann eben nicht«, sagte Gina, sich wieder hinsetzend. »Ich wollte nur ein paar liebe Worte sagen.«
»Tut mir leid«, meinte Hipp.
Er nahm einen Schluck aus dem Weinglas, wischte sich die Lippen ab, stand auf, ging um den Tisch herum und bedankte sich bei Viberti für das wunderbare Mittagessen und die großzügige Einladung. Er möge ihm verzeihen, wenn er der guten Stimmung jetzt einen Dämpfer aufsetze, aber es müsse sein, es gehe nicht anders.
Hipp trat zur Tür, gab der Bedienung ein Zeichen, sie vorläufig alleine zu lassen, und machte sie zu.
Im Zimmer herrschten betretenes Schweigen, irritierte, gespannte Aufmerksamkeit. Hipp kehrte an seinen Platz zurück, blieb aber hinter dem Stuhl stehen und stützte sich auf die Lehne.
»Wie wir alle wissen, hat Maresciallo Viberti gestern Carlo Giardina verhaftet. Carlo hat bereits gestanden, seinen Schwager ermordet zu haben. Und er ist auch dringend verdächtig, Ginas Vater umgebracht zu haben. Und wenn er es nicht war, dann bleibt Amedèo Steinknecht als mutmaßlicher Mörder. Heute Vormittag haben die Carabinieri in Bologna einen Russen namens Michail Borogowski verhaftet.«
Der Maresciallo nickte bestätigend.
»Er wird beschuldigt, Amedèo Steinknecht ermordet zu haben. Wie es scheint, sind alle drei Fälle aufgeklärt. Wir könnten also zufrieden sein, die Gerechtigkeit hat gesiegt. Aber hat sie das wirklich?«
Hipp machte eine Pause und sah in die verstörten Gesichter.
»Ich glaube nicht! Ja, bei Ildefonso schon, aber nicht bei Hubertus Rettenstein. Wo soll ich anfangen? Vielleicht damit, dass manche Menschen grundsätzlich nicht ins Kino gehen, wie zum Beispiel unsere Roberta. Ist doch richtig? Das hast du mir doch erzählt?«
Roberta, die sich ganz offenbar nicht erklären konnte, worauf Hipp hinauswollte, bestätigte seine Aussage. Sie sei schon seit Jahren nicht im Kino gewesen.
»Das finde ich verwirrend«, fuhr Hipp fort, »denn Gina hat mir erzählt, dass sie erst vor einigen Wochen an einem Samstag mit Roberta im Kino gewesen sei, um sich einen Piratenfilm mit Johnny Depp anzusehen.«
»Habe ich das erzählt?«, fragte Gina.
»Definitiv, bei unserer systematischen Alibisuche in Dozza.«
»Nun, wenn das so ist, dann habe ich mich offenbar getäuscht. Ist doch
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