Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Dottoressa, wie Sie gerade angedeutet haben, sexuell hörig ist. Der Verdacht liegt nahe, dass Ihnen die Signora mit dem Alibi einen Gefallen getan hat, um Sie nicht zu verlieren.«
»Sie haben eine blühende Phantasie«, protestierte Gina.
»Nicht nur der Maresciallo«, übernahm Hipp erneut die Regie, »ich habe sie auch. Als du gemerkt hast, dass du für die Tatzeit dringend ein Alibi brauchst, hast du mit deiner Freundin telefoniert, womöglich beim nächtlichen Joggen in Dozza, vom Handy aus. Ihr habt euch gemeinsam das Alibi ausgedacht und mir perfekt vorgespielt, das muss euch der Neid lassen. Auch dass du sie vehement ablehnst, sie konsequent als Stupida bezeichnest, war ein raffinierter Schachzug, der die Glaubwürdigkeit des Alibis erhöht hat.«
»Vom Handy telefoniert? Also …«
Hipp hob warnend den Zeigefinger. »Schon vergessen? Ich habe deine Telefonate überprüfen lassen. Von Sottotenente Garrisaldo in Bologna. In Italien werden alle Verbindungen in den mobilen Telefonnetzen über Wochen gespeichert. Jeder Widerspruch ist zwecklos.«
Hipp sah, dass Viberti seine Stirn zweifelnd in Falten legte. Außerdem war ihm seine Missbilligung anzumerken, dass Hipp mit den Carabinieri in Bologna kooperierte.
Gina riss an ihrer Serviette und warf sie schließlich in den Dessertteller. »Zugegeben, ich habe sie aus Dozza angerufen. Aber um ihr zu sagen, dass ich gerade mit Hipp geschlafen habe.«
»Was gelogen war«, mischte sich Sabrina ein. »Du hast mir selbst erzählt …«
»Aber ich fand’s lustig. Ich liebe es, Chiara eifersüchtig zu machen. Ich bin schon jetzt neugierig, wie sie auf Roberta reagiert.«
»Ich fürchte, wir können es nicht dabei bewenden lassen«, sagte der Maresciallo.
»Warum denn nicht?«, fragte Gina. »Sie haben Carlo Giardina verhaftet, er war es.«
»Noch hat er nicht gestanden.«
»Und er wird nicht gestehen«, sagte Hipp, »jedenfalls nicht den Mord an Hubertus Rettenstein, denn er war es nicht.«
Gina sprang auf. »Du hast mein Alibi zerpflückt«, schrie sie, »wunderbar, großartig, mein Kompliment. Aber deshalb habe ich noch lange nicht meinen Vater umgebracht.«
»Doch, das hast du!«, sagte Hipp.
Gina hielt sich totenblass am Tisch fest. Sie nahm ihr Weinglas und warf es wütend in Richtung Hipp. Das Glas verfehlte ihn und zerschellte an der Wand.
»Du bist verrückt, hinterhältig und gemein. Warum willst du mein Leben zerstören?«
»Du hast das von Hubertus Rettenstein zerstört.«
»Ich war es nicht!«
Maresciallo Viberti gab Gina den harschen Befehl, sich wieder zu setzen. Obwohl er keine Uniform trug, reichte seine Autorität aus, dass sie ihm folgte, am ganzen Körper zitternd, mit flatternden Augen. Dann forderte er Hipp auf, in seinen Erläuterungen fortzufahren. Hipp erzählte von dem Teppich, den man gestern im Wald über Rettensteins Villa gefunden habe. Auch das habe ihn stutzig gemacht. Welcher Mörder schleppe einen schweren Teppich den Hügel hinauf, um ihn unter abgebrochenen Zweigen zu verstecken, wenn er ihn stattdessen in seinem Auto mitnehmen und irgendwo entsorgen könne? Das würde nur jemand machen, der ohne Auto gekommen sei. Gina habe kein Auto. Entweder sei sie mit dem Zug gefahren und habe den Weg zum Haus mit dem Linienbus beziehungsweise zu Fuß zurückgelegt. Oder sie sei mit ihrer Vespa angereist, das habe sie selbst erzählt. In beiden Fällen habe sie den Teppich nicht mitnehmen können.
Ins Bild passe auch das Methadon, mit dem der Wein vergiftet war. Eine Ärztin wie die Dottoressa Menotti habe dieses starke Schmerzmittel wohl beschaffen können. Und dass Gina von seinem Vorschlag nicht begeistert war, sich hypnotisieren zu lassen, auch das sei im Nachhinein allzu gut zu verstehen.
Der Mord? Nun, wahrscheinlich sei es eher eine Tötung im Affekt gewesen. Oder sogar eine Notwehrhandlung. Gina habe ihren Vater gehasst, habe ihm Drohbriefe geschrieben, habe versucht ihn einzuschüchtern, ihn zu erpressen, sei wiederholt in sein Haus geschlichen. Wobei es ihr wohl wirklich primär um ihre kranke Mutter gegangen sei, die ihr Vater so jämmerlich im Stich gelassen habe. Von ihrer Freundin, der Dottoressa Menotti, habe sie gewusst, dass ihre Mutter dringend teure Medikamente und eine Betreuung rund um die Uhr benötige. Womöglich habe Rettenstein sie im Haus überrascht, oder Gina habe eine Aussprache gesucht. Jedenfalls sei es zum Streit gekommen. Er könne sich vorstellen, dass Rettenstein, der bekanntermaßen überaus
Weitere Kostenlose Bücher