Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Kindes.«
»Sie kann bleiben? Ich kann sie regelmäßig sehen?«
Hipp nickte. »So sieht es aus.«
Gina schneuzte in Hipps Taschentuch. »Das wenigstens sind gute Nachrichten.«
»Gina, ich bin nicht dafür verantwortlich, dass du …«
»Das bin ich selber, ich weiß!«
»Wenn du den Avvocato Romagnosi nicht magst, kann ich dir einen anderen Verteidiger besorgen.«
»Nein, er ist schon in Ordnung. Wenn er das mit der Finanzierung des Sanatoriumsaufenthalts hinbekommt, dann erst recht.«
»Die Verteidigung wird nicht auf Mord, sondern auf Notwehr plädieren, wenigstens auf einen minder schweren Fall des Totschlags. Sie wird darstellen, dass du dich der wütenden Angriffe deines Vaters erwehren musstest. Allerdings dürfte versuchte Erpressung hinzukommen.«
»Das bedeutet?«
»Dass du wegen dieser Straftat nicht dein restliches Leben hinter Gittern verbringen musst.«
»Aber lange genug, viel zu lange.«
Hipp enthielt sich eines Kommentars.
»Ich bin so blöd«, ärgerte sie sich. »Hätte ich nur meinen Termin beim Avvocato in Alba verschoben und wäre dir nicht freiwillig in die Arme gelaufen, dann wäre ich wohl davongekommen.«
»Gut möglich.«
»Aber ich habe mich so sicher gefühlt. Mir hat es Spaß gemacht, deine und Sabrinas Nähe zu suchen, mit dem Feuer zu spielen. Nach dem erfolgreichen Trick mit meinem Alibi war ich fest davon überzeugt, dass mir nichts passieren kann, dass ich wie ein Vogel über allen Dingen schwebe, frei und unabhängig, dass ich tun und lassen kann, was ich will.«
»Arroganza, Übermut …«
»… tut selten gut, ich weiß. Und Hochmut kommt vor dem Fall!«
»Da ist was dran.«
»Trotzdem hättest du mich nicht verpfeifen müssen.«
»Doch. Schon vergessen?«
»Was?«
»Du hast mich ausdrücklich gebeten, den Mörder deines Vaters zu finden. Du wolltest mich sogar dafür bezahlen.«
»Ich habe nicht geglaubt …«
»Nein, hast du nicht. Außerdem …«
»Außerdem?« Sie sah ihn herausfordernd an.
»Ich sag’s mal ganz deutlich: Ich lass mich nicht gerne an der Nase herumführen. Und genau das hast du versucht.«
Sie sahen sich schweigend an. Es dauerte, bis er erneut das Wort ergriff: »Gina, wir müssen noch über was anderes reden.«
»Worüber?«
Er nahm ihre Hände, die sie ihm widerstrebend überließ. »Aber du musst bei der Wahrheit bleiben.«
»Du machst es spannend.«
»Gina, ich will wissen, ob du noch eine Leiche im Keller hast.«
»Wie bitte?« Sie versuchte ihre Hände zurückzuziehen, aber Hipp hielt sie fest.
»Ganz ruhig. Ich muss es einfach wissen. Hast du Amedèo Steinknecht umgebracht?«
»Bist du verrückt?«, brauste sie auf.
»Gina, bitte keine Spielchen, nicht schon wieder. Nur eine einfache Antwort – ja oder nein?«
»Nein!«
»Schau mich an!«
Gina beugte sich nach vorne und blickte ihm aus nächster Nähe in die Augen. »Nein!«, wiederholte sie.
Er ließ ihre Hände los. »In Ordnung.«
Sie lehnte sich zurück. »Welcher Teufel hat dich denn jetzt geritten? Warum soll ich Steinknecht umgebracht haben? Ich kannte ihn ja nicht mal.«
»Wirklich nicht?«
»Nein, wir haben nur miteinander telefoniert.«
»Und ihr habt ein Treffen vereinbart.«
»Zu dem es nicht mehr gekommen ist.« Gina schluckte. »Woher weißt du das?«
»Nach seinem Tod war ich in Steinknechts Büro in Parma. Dort hatte ich Gelegenheit, einen kurzen Blick in den Terminkalender seiner Empfangssekretärin zu werfen. Da war dein Name notiert, mit Telefonnummer und der Anmerkung: Treffen mit Steinknecht vereinbaren.«
»Er wollte mit mir unter vier Augen über den Wert meiner Anteile an Delita verhandeln.«
»Für wann hattet ihr euch verabredet? Und wo? Davon stand nichts im Kalender.«
Sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
»Er hat mich am frühen Morgen in die Lagerhalle bestellt. Er sei ab sechs Uhr da, hat er gesagt, wegen einer Revision. Er stehe mir jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.«
»Am frühen Morgen welchen Tages?«
»Am bewussten Tag, du weißt schon.«
»Ich habe es befürchtet.«
»Als ich angekommen bin, etwa um halb sieben, da stand zwar ein Auto auf dem Parkplatz mit seinem Namen, aber es hat niemand aufgemacht. Ich habe etwas gewartet, dann bin ich wieder gefahren. Das war alles.«
»Du warst zur falschen Zeit am falschen Ort«, stellte Hipp fest.
»Das ist mir klar. Deshalb habe ich gehofft, dass mich niemand gesehen hat.«
»Und? Hat dich jemand gesehen?«
»Nein, niemand.« Gina überlegte.
Weitere Kostenlose Bücher