Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
wiederkommen solle, fragte er. Die Damen blieben ihm eine Antwort schuldig, sie telefonierten aufgeregt. Irgendetwas schien passiert zu sein.
Während Hipp noch unschlüssig herumstand, stürzte ein Mitarbeiter herein und redete hektisch auf die Empfangsdamen ein. Hipp versuchte sich aus den aufgeschnappten Wortfetzen einen Reim zu machen. Während eine der Damen hysterisch kreischend zu Boden sank, verständigte die andere die Polizei. Der Angestellte rannte zurück in die Lagerhalle, Hipp heftete sich an seine Fersen.
Wenig später stand er mit mehreren Angestellten vor einer großen Truhe. Sie war halb voll mit tiefgefrorenen Scampi. Obendrauf lag ein mindestens ebenso tiefgefrorener Mann. Dass es sich bei dem Leichnam um Amedèo Steinknecht handelte, ging aus den Gesprächen zweifelsfrei hervor. Weniger einsichtig war, warum zwischen den Scampi eine Flasche Wein steckte. Hipp identifizierte einen ihm unbekannten Barolo. Blieb die Frage, ob Steinknecht schon tot gewesen war, als man ihn auf die Scampi legte, oder ob er in der von außen verschlossenen Truhe erfroren war. Weder in dem einen noch in dem anderen Fall handelte es sich um ein Unglück. Amedèo Steinknecht war ziemlich eindeutig einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Dieses beklagenswerte Schicksal teilte er mit seinem Partner Hubertus Rettenstein.
Hipp stellte misslaunig fest, dass er in eine Situation geraten war, in der es schon drei Tote gab. Wobei die kulinarischen Begleitumstände ihrem Ableben eine bizarre Note gaben. Ildefonso Battardi mit einer großen Trüffel in den Händen. Hubertus Rettenstein mit einer abgebrochenen Flasche Sassicaia im Hals. Und Amedèo Steinknecht auf einem Totenbett aus Scampi. Buon appetito!
Beim Verlassen der Lagerhalle entdeckte Hipp auf einer Palette einige Kartons mit dem Barolo aus der Tiefkühltruhe. Da auch einzelne Flaschen herumstanden, nahm Hipp eine mit. Dieser Barolo interessierte ihn. Er legte den Wein auf den Beifahrersitz seiner Giulietta, beobachtete Polizeiwagen, die mit Blaulicht und Sirene vor der Lagerhalle zum Stehen kamen. Dass man ihn nicht so einfach gehen lassen würde, war klar. Er musste seine Personalien angeben, seine Identität wurde überprüft, er durfte vorläufig den Hof nicht verlassen.
Ein schwarzer Ferrari hielt schleudernd vor dem Eingang, mit rotem Frontspoiler. Ein Mann sprang heraus und eilte zu den Polizisten. Hipp hörte, wie er sich als Ugo Zorzi vorstellte. Aus dem Termin heute Nachmittag in Modena würde wohl nichts werden. Hipp nahm sein Handy, rief den Maresciallo in Alba an und berichtete vom Tod Steinknechts. Wenig später bekam er die Erlaubnis zu fahren, unter der Bedingung, dass man ihn jederzeit über sein »Telefonino«, also über sein Handy, erreichen könne. Hipp kurvte mit der Giulietta durch die Lücken zwischen den Polizeiautos. Sein Blick fiel auf den Beifahrersitz mit der Flasche Barolo. Dass er sie gestohlen hatte, wurde ihm erst jetzt bewusst.
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S ie hatten sich in einem Caffè an der Piazza Maggiore verabredet. Gina und der Avvocato Romagnosi saßen an einem der Tische vor der Renaissance-Fassade des Palazzo del Podestà. Ihnen gegenüber die größte Kirche Bolognas, die Basilica di San Petronio. Links ging es durch die Torbögen im Palazzo dei Banchi, wo im Mittelalter die Wechselstuben untergebracht gewesen waren, in die kleinen Gassen mit den vielen Lebensmittelgeschäften. Und schräg hinter ihnen lag der Palazzo di Re Enzo, benannt nach Enzo von Sardinien, dem Sohn Friedrichs II ., der hier über zwanzig Jahre gefangen gehalten wurde.
Als Gina dem Avvocato zum Auftakt ihres Gesprächs etwas über die Palazzi rund um die Piazza Maggiore und ihre wechselvolle Geschichte erzählen wollte, musste dieser lachen.
»Signorina Zazzari«, fragte er, »wo, glauben Sie, habe ich studiert? Wie es der Zufall will, in Bologna*. Der Sitz der juristischen Fakultät ist nicht weit von hier, im Palazzo Malvezzi Campeggi in der Via Zamboni. Ich könnte Ihnen aus dem Stand einen Vortrag halten über die Rechtmäßigkeit der Gefangennahme des von Ihnen zitierten Stauferkönigs Enzo nach der Schlacht von Fossalta 1249.«
»Ich bin beeindruckt.«
»Zu Recht, meine Liebe«, gefiel sich Romagnosi in der Rolle des gebildeten Akademikers. »Die Historie ist mein Steckenpferd. Ich freue mich, festzustellen, dass auch Sie sich für die Stein gewordene Geschichte unseres unvergleichlichen Landes interessieren.«
»Ich interessiere mich überhaupt nicht dafür«,
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