Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
nicht, weiß auch nichts davon, dass Sie die Alleinerbin sind, aber das kann nicht mehr lange dauern. Wir sollten uns darauf vorbereiten.«
»Mein Vater Hubertus Rettenstein ermordet«, flüsterte Gina, »und ich, ich bin tatverdächtig.«
»Nicht wirklich, Signorina. Sie haben doch Ihren Vater überhaupt nicht gekannt.«
»Doch, habe ich«, sagte sie leise.
Der Anwalt sah Gina entsetzt an. »Sie hatten Kontakt zu Ihrem Vater?«
»Ich habe ihn vor einigen Wochen in Alba besucht und ihn zur Rede gestellt. Aber er hat mich rausgeschmissen.«
Romagnosi schüttelte besorgt den Kopf. »Das hätten Sie mir sagen müssen.«
»Jetzt wissen Sie es. Aber deshalb habe ich ihn nicht umgebracht.«
»Ich hoffe, Sie haben ein Alibi?«
»Keine Ahnung, was ich am Tag seines Todes gemacht habe.«
»Am Tag und in der Nacht, Signorina. Er wurde wahrscheinlich am späten Abend umgebracht.«
»Ich führe doch keinen Terminkalender. Woher soll ich wissen, was ich vor einigen Wochen an einem x-beliebigen Abend gemacht habe?«
»Keinen Terminkalender? Das ist ein Fehler, meine Liebe.«
»Und für die Nacht habe ich bestimmt kein Alibi. Ich schlafe gewöhnlich alleine.«
»Alleine? Signorina Gina, das ist ein noch größerer Fehler. Außerdem unvorstellbar, eine so schöne Frau wie Sie.«
»Sparen Sie sich Ihre Komplimente, wir haben andere Probleme.«
Der Anwalt nickte. »Ja, so schaut es aus. Aber nicht wirklich. Sie sind unschuldig …« Romagnosi lächelte süffisant. »Natürlich nicht als Frau, sondern als Tatverdächtige.«
Gina sah Romagnosi vorwurfsvoll an.
Er räusperte sich. »Entschuldigen Sie, Signorina. Sie bringen mich völlig durcheinander. Ich werde Sie also anwaltschaftlich vertreten. Erfreulicherweise können Sie sich eine Kapazität meines Ranges leisten. Wir werden deutlich machen, dass Sie als Tatverdächtige keinesfalls in Betracht kommen. Und wir werden die Polizei ermuntern, so schnell wie möglich den oder die wahren Täter zu finden.«
»Das klingt vernünftig«, stellte Gina fest.
»Natürlich, kein Problem. Möchten Sie noch einen Prosecco?«
»Nein, vielen Dank. Mir ist die Nachricht, dass mein Vater ermordet wurde, auf den Magen geschlagen. Ich hätte gerne eine Grappa.«
»Zwei Grappe. Ich brauche auch eine. Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie Ihren Vater vor seinem Tod besucht haben?«
»Sie haben mich nicht gefragt.«
»Korrekt«, gab Romagnosi zu. »Aber ab jetzt erzählen Sie mir bitte alles, versprochen?«
»Alles?«
»Nun, alles, was für mich als Ihr Anwalt von Belang sein könnte.«
»Ich verstehe.«
Wieder räusperte sich der Avvocato. »Und wenn Sie mal ein Alibi brauchen sollten …?«
»Ein Alibi?«
»Weil Sie doch meistens alleine schlafen. Ich könnte Ihnen da behilflich sein. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass wir gemeinsame Passionen haben.«
Gina schmunzelte. »Sie lassen nicht locker, was?«
»Nein, nie. Ich bin ein Spezialist für aussichtslose Fälle!«
30
D as Büro von Delicatezze dall’Italia war in der Innenstadt von Parma leicht zu finden. Nur wenige Schritte waren es von der Piazza Garibaldi in die Strada Farini, dann links, schon stand Hipp vor dem Eingang mit dem polierten Messingschild. Wohl wissend, dass Ugo Zorzi den vereinbarten Termin nicht einhalten würde, drückte Hipp auf den Klingelknopf. Oben angelangt, sah er sich mit einer Empfangsdame konfrontiert, die über eine bemerkenswerte Selbstdisziplin verfügte. Dass man einen ihrer beiden Chefs heute Vormittag tot aufgefunden hatte, schien ihr wenig auszumachen. Nein, zu ihrem Bedauern könne Signor Zorzi heute nicht mit ihm sprechen. Und auch für die nächsten Tage seien alle Termine abgesagt. Ihm sei sicher bekannt, dass Signor Steinknecht verstorben sei. Seine höfliche Kondolenz quittierte sie mit einem kurzen Nicken. Ihr fiel auf, dass Hipp einen langen Blick in ihren Kalender warf, der vor ihr auf dem Empfang lag. Da er voll mit Notizen war, die allerdings auf dem Kopf stehend kaum zu entziffern waren, schlug sie den Kalender missbilligend zu.
Während sie ein Telefongespräch entgegennahm, sah sich Hipp im Vorzimmer um. Auf einer Konsole standen einige repräsentative Weinflaschen, darunter jener Barolo, den er in der Lagerhalle mitgenommen hatte. An der Wand hingen viele Bilder. Eines zeigte den Mann, der sich der Polizei als Ugo Zorzi vorgestellt hatte. Er lehnte an einem roten Ferrari. Das Foto schien ziemlich neu zu sein. Auch waren einige Auszeichnungen
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