Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Vielleicht sehen wir uns tatsächlich in einem späteren Leben wieder. Das wird eine interessante Begegnung.«
Er fragte sich, wie Amedèo das mit dem Ferrari gemacht hatte. Hatte er wirklich geglaubt, er würde mit dem Wagen tödlich verunglücken? Dann hätte Amedèo den Abschiedsbrief hervorgezaubert – und alle hätten keine Sekunde daran gezweifelt, dass er Selbstmord begangen habe.
Zorzi grinste. Diese Rechnung seines Partners war nicht aufgegangen. Sein Ferrari war Schrott, das schon, aber er, er war am Leben. Was man von Amedèo nicht mehr behaupten konnte!
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich für niemanden zu sprechen bin«, fuhr Zorzi seine Sekretärin an, die ein Telefonat zu ihm durchstellen wollte.
»Scusi, Signore, aber es ist …«
»Interessiert mich nicht. Ich bin nicht zu sprechen!«
»… es ist ein Maresciallo von den Carabinieri. Er besteht darauf.«
Zorzi räusperte sich. »Warum sagen Sie das nicht gleich? Stellen Sie durch!«
»Buona sera, Signor Zorzi«, begrüßte ihn der Maresciallo. »Schön, dass Sie für mich Zeit haben. Mein Name ist Viberti. Ich leite die Ermittlungen im Todesfall …«
Er machte eine kurze Pause.
»… meines Partners Amedèo Steinknecht«, versuchte Zorzi den angefangenen Satz zu beenden.
»Nein, wie kommen Sie denn darauf? Mein herzliches Beileid. Ich bin von den Carabinieri in Alba. Ich leite die Ermittlungen im Todesfall von Hubertus Rettenstein.«
»Im Todesfall von Rettenstein, o ja. Wir alle stehen unter Schock wegen Amedèo Steinknecht.«
»Unter Schock, natürlich. Jetzt haben Sie mit Signor Steinknecht auch Ihren zweiten Geschäftspartner verloren. Was für eine Tragödie.«
»Sie sagen es, eine Tragödie.«
»Mögen Sie Barolo?«, fragte Viberti übergangslos.
»Wie bitte, Barolo? Natürlich«, stammelte Zorzi. »Warum fragen Sie?«
»Wegen der Flasche in der Tiefkühltruhe. Sie stammt, wenn ich recht informiert bin, aus La Morra?«
»Ach so. Aus La Morra? Keine Ahnung, kann sein. Aber ich verstehe nicht …«
»Kein Problem, mein lieber Signor Zorzi«, entgegnete Viberti, »ich bin es gewöhnt, dass man mich nicht versteht.«
»Ich denke, Sie wollten mich wegen Rettenstein sprechen?«
»Korrekt. Aber wer sagt, dass da kein Zusammenhang besteht? Die Opfer kannten sich, waren geschäftlich miteinander verbunden. Der eine wurde von einem Weinregal erschlagen, der andere hatte das zweifelhafte Vergnügen, in einer Tiefkühltruhe zu erfrieren. Seine Mörder hätten ihm wenigstens einen Korkenzieher und ein Glas mitgeben können.«
»Einen Korkenzieher und ein Glas?«
»Ja, als Akt der Nächstenliebe. Dann hätte Ihr Partner in den letzten Minuten seines Lebens wenigstens einen Barolo trinken können.«
»Das meinen Sie nicht im Ernst?«
»Selbstverständlich meine ich das im Ernst. Ich für meinen Teil, so viel steht fest, möchte auf dem Sterbebett einen Barolo trinken.« Viberti ließ ein heiseres Lachen vernehmen. »Allerdings von einem anderen Winzer. Aber um auf den Grund meines Anrufs zurückzukommen, ich erwarte Sie morgen um vierzehn Uhr in meinem Büro in Alba.«
»Wie bitte, ich soll nach Alba kommen? Können Sie sich vorstellen, was hier momentan los ist? Außerdem muss ich mich für Ihre Kollegen in Parma …«
»… bereithalten, ich weiß. Da kann ich Sie beruhigen. Wir arbeiten eng zusammen. Glauben Sie mir, es ist auch im Interesse der Carabinieri in Parma, wenn Sie mir morgen die Ehre Ihres Besuches erweisen.«
»Bitte entschuldigen Sie«, erwiderte Zorzi, »aber ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich morgen unmöglich nach Alba kommen kann.«
»Natürlich, ich habe Verständnis dafür. Wissen Sie, was ich normalerweise um vierzehn Uhr mache? Ich bin beim Mittagessen. Momentan ist Trüffelzeit, da ist mir dieser Termin heilig. Aber nein, wegen Ihnen mache ich eine Ausnahme, ich erwarte Sie zu einem Gespräch in meinem Büro. Das erfordert von mir eine geradezu übermenschliche Anstrengung. Also ist es nicht zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte, sich morgen ans Steuer Ihres Ersatz-Ferraris zu setzen und diese lächerliche Entfernung ohne Geschwindigkeitsübertretung zurückzulegen. Haben wir uns verstanden?«
»Nein, lieber Maresciallo …«
»Wir haben uns verstanden«, fiel ihm Viberti ins Wort. Seine bisher spöttisch-freundliche Stimme hatte urplötzlich einen schneidenden Ton. »Sie haben nur die Wahl des Fortbewegungsmittels. Ihr Ferrari oder ein Gefangenentransporter der Carabinieri?
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