Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
gebeten, ich habe ihn im Stich gelassen, und jetzt ist er tot. Ich glaube, ich bin ihm diesen Gefallen schuldig. Zunächst habe ich herausgefunden, dass er umgebracht wurde …«
»Das waren Sie?«
»Sagen wir so, ich habe den Carabinieri die entscheidenden Hinweise gegeben.«
Gina sah Hipp traurig an. »Und jetzt sind Sie hier, weil Sie glauben, dass ich es war, die meinen Vater getötet hat. Richtig?«
»Mir fällt es schwer, dies zu glauben. Aber Sie haben recht, deshalb bin ich hier.« Und nach einer kurzen Pause: »Eine romantische Verabredung wäre mir lieber gewesen.«
»Mir auch«, flüsterte Gina.
»Und? Haben Sie Ihren Vater getötet?«, fragte Hipp ohne Umschweife.
»Erwarten Sie eine ehrliche Antwort?«
Hipp nickte. »Das würde manches vereinfachen. Vielleicht für uns beide.«
»Ja, ich habe ihn umgebracht …«
Hipp sah sie stumm an.
»… aber nur in meiner Phantasie. Ich habe ihn erwürgt, niedergeschlagen, mit dem Auto überfahren. Aber im wahren Leben, nein, da habe ich ihn nicht getötet. Ich hätte es nicht fertiggebracht. Warum? Ich weiß es selber nicht. Vielleicht bin ich nicht fähig, jemanden umzubringen, selbst wenn ich ihn hasse. Oder es lag doch daran, dass er mein Vater war, jedenfalls biologisch.«
»Sie waren es also nicht?«
»Sagte ich doch. Glauben Sie mir?«
Hipp zuckte mit den Schultern. »Ich würde Ihnen gerne glauben, aber noch fällt es mir schwer.«
»Ich habe keine Lust, mich zu verteidigen. Entweder Sie glauben mir oder nicht, ganz wie Sie wollen. Ist mir egal.«
»Es ist Ihnen nicht egal.«
»Warum glauben Sie mir nicht? Sehe ich aus wie eine Mörderin?«
»Es gibt mindestens fünf Indizien, die gegen Sie sprechen. Erstens sind Sie seine Generalerbin, das macht Sie zu einer natürlichen Verdächtigen. Zweitens haben Sie ihn gehasst. Drittens …«
»Sie haben keine Ahnung, warum ich ihn gehasst habe«, sagte Gina leise.
»Erzählen Sie!«
»Nein. Und drittens?«
Hipp langte in die Jacke, holte die beiden Drohbriefe hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. Dabei ließ er Gina nicht aus den Augen.
»Haben Sie diese Briefe geschrieben?«, fragte er.
Gina fuhr mit den Fingerspitzen über das Papier. Sie atmete tief durch, wollte zu reden beginnen, um dann doch zu schweigen.
»Warum fällt Ihnen die Antwort schwer? Haben Sie nun die Briefe geschrieben oder nicht?«
Gina schüttelte den Kopf. »Kein Kommentar.«
»Schade.«
»Gibt’s noch ein Viertens?«, fragte sie.
»Viertens haben Sie Ihren Vater vor einigen Wochen besucht und sich mit ihm gestritten. Worum ging es dabei?«
»Kein Kommentar.«
»Ich fürchte, wir kommen nicht wirklich weiter. Meinen letzten Punkt kann ich mir wohl sparen.«
»Ich würde ihn gerne wissen.«
»Sie sind in der Zeit vor dem Mord einige Male in der Nähe seiner Villa gesehen worden«, bluffte Hipp. »Was haben Sie da gemacht?«
»Kein Kommentar. Sind Sie fertig?«, fragte Gina.
»Ja und nein. Aber es macht wohl keinen Sinn, Ihnen weitere Fragen zu stellen.«
»Nein, macht es nicht. Übrigens sind die dreißig Minuten rum. Ich habe mein Versprechen gehalten. Darf ich jetzt gehen?«
»Natürlich dürfen Sie. Ich hatte allerdings gehofft, dass Sie länger bleiben.«
»Das wäre möglich gewesen, doch da hätte Ihnen ein anderes Gesprächsthema einfallen müssen.«
»Wenigstens noch für einen schnellen Espresso?«
»Fünf Minuten«, willigte Gina ein. »Aber keine Fragen mehr. Ich will nachdenken.«
Hipp nickte, bestellte den Espresso, faltete die Briefe zusammen und steckte sie wieder ein. Gina beobachtete ihn wortlos. Sie sah auf seine Hände, in seine Augen. Hipp spielte mit dem Handy. Dass er dabei mit der eingebauten Kamera ein Foto von ihr machte, fiel ihr nicht auf. Gina entschuldigte sich, stand auf und ging auf die Toilette. Als sie wiederkam, entdeckte er, dass sie geweint hatte. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und getröstet.
Gina nahm wieder Platz und trank den Kaffee.
»Sie haben erwähnt, dass Sie gelegentlich anderen Menschen helfen, wenn sie in der Klemme stecken«, sagte sie. »Nun, wie es aussieht, stecke ich in der Klemme. Würden Sie mir helfen?«
»Das würde ich. Aber zunächst müssten Sie mich von Ihrer Unschuld überzeugen. Dazu haben Sie bislang wenig bis gar nichts beigetragen.«
»Wenn das so einfach wäre«, flüsterte Gina.
»Vielleicht bin ich leichter zu überzeugen, als Sie glauben«, sagte er lächelnd. »Ich brauch keine Beweise. Versuchen Sie es doch
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