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Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Titel: Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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einfach.« Er reichte ihr seine Hand. »Bringen Sie mich dazu, dass ich Sie verstehe und Ihnen vertraue. Dann werde ich Ihnen helfen. Versprochen. Aber nur unter dieser Voraussetzung.«
    Gina nahm seine Hand und drückte sie. Ihre Hände fühlten sich kalt an. »Einverstanden. Aber nicht heute Abend. Wir treffen uns morgen früh um acht hier bei Silvano. Wir machen einen Ausflug, zu Fuß, ziehen Sie sich bequeme Schuhe an. Ich möchte, dass Sie jemanden kennenlernen.«

37
    M ein Leben war schön. Blicke ich zurück, gibt es nur wenige Dinge, die ich anders machen würde. Umso leichter fällt mir der Abschied.«
    Ugo Zorzi las diese Zeilen nicht zum ersten Mal. Trotzdem lief es ihm kalt den Buckel hinunter. Er nahm seine Lesebrille ab, wischte sich über die Stirn – und griff erneut nach dem Schreiben.
    »Unsere Firma steht kurz vor der Pleite«, ging es weiter. »Auch konnte ich meine Schulden an Rettenstein nicht zurückzahlen. Sein Tod hat zwar dieses Problem gelöst, aber mein Gewissen ist nicht frei von Schuld.«
    Zorzi schüttelte den Kopf. Was hatte er mit dieser Formulierung andeuten wollen? »Mein Gewissen ist nicht frei von Schuld.« Sollte das ein indirektes Geständnis sein?
    »Privat ist meine Situation ausweglos. Seit Jahren betrüge ich meine geliebte Frau. Veronica, bitte verzeih mir! Meine Freundin möchte, dass ich mich scheiden lasse – oder sie wird unser Verhältnis bekannt machen. Aber meine Familie ist mir heilig! Dass ich beim Kartenspiel viel Geld verloren habe, konnte ich bislang gut verbergen. Doch auch hier habe ich Zahlungsverpflichtungen, denen ich nicht nachkommen kann. Meine Acetaia wirft derzeit keinen Gewinn ab. Auch ist sie nach dem Ausbau völlig überschuldet. Wie soll ich weiterleben? Als Obdachloser unter einer Brücke? Oder hinter schwedischen Gardinen im Gefängnis? Nein, ich habe mein Leben gelebt. Ich hätte es gerne noch eine Weile fortgesetzt, aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Ich danke all meinen Freunden. Ich küsse meine Kinder und umarme meine Frau. Bitte vergebt mir. Auch der Herr im Himmel, er möge mir verzeihen. Ich setze meinem Dasein ein Ende. Arrivederci – vielleicht in einem späteren Leben.«
    Zorzi atmete tief durch. Er konnte diesen Abschiedsbrief so oft lesen, wie er wollte, immer wieder aufs Neue zitterten seine Hände, wenn er auf die Unterschrift blickte, denn sie stammte von keinem anderen als von ihm selbst – Ugo Zorzi!
    Hatte er diesen Brief geschrieben? Wollte er sich das Leben nehmen? Nein, wirklich nicht. Ihre Firma stand ja nur zum Schein vor der Pleite, war in Wahrheit gesünder denn je. Seine Acetaia war schuldenfrei. Es stimmte, er hatte eine Freundin. Wer hatte das nicht? Aber diese war glücklich, wenn er ihr ab und zu etwas Geld zusteckte. Dass er für sie seine Familie verlassen würde, war nie ein Thema. Und Spielschulden? Das war ja ein Treppenwitz. Zorzi musste lachen. Wenn er sich gelegentlich mal mit Freunden zum Zocken traf, dann war meistens er es, der hinterher mehr Geld hatte als vorher.
    »Ich danke all meinen Freunden«, wiederholte Zorzi. Meinen Freunden? Er schüttelte den Kopf. Diesen rührseligen Abschiedsbrief hatte sich sein »Freund« Amedèo ausgedacht. Er hatte ihn geschrieben und ihn ihm vor einigen Tagen mit vielen anderen Papieren in der Unterschriftenmappe untergejubelt. Er erinnerte sich noch gut an jenen Abend im verglasten Büro in der Lagerhalle, an dem sie ihre erfolgreichen Finanzmanipulationen besprochen hatten. Amedèo hatte viele Geschäftsbriefe so übereinandergelegt, dass er gar nicht sehen konnte, worum es ging. Nur die markierten Stellen, wo er unterschreiben sollte. Das hatten sie immer so gemacht. In diesem Punkt hatte Zorzi seinem Partner vertraut. Was wohl ein todbringender Fehler gewesen war, wie er im Nachhinein feststellen musste.
    Er hatte den Abschiedsbrief im Safe von Amedèo gefunden. Normalerweise sah er dort nie nach, doch er kannte die Kombination. Normalerweise? Aber diese Tage, sie waren nicht normal. Er hatte nach dem Unfall auf der Autobahn die Fahrzeugpapiere und die Versicherungsunterlagen gesucht. Und weil er sie nicht fand, hatte er in Amedèos Safe nachgeschaut. Dort hatte er die Papiere gefunden, aber nicht nur sie. Und so hielt er jetzt seinen eigenen Abschiedsbrief in den Händen, einen Abschiedsbrief, den er nie geschrieben hatte. »Arrivederci – vielleicht in einem späteren Leben.«
    »Ja, mein lieber Amedèo«, flüsterte Zorzi. »Nun ist es anders gelaufen.

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