Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
wiederzusehen.«
»Ich bin mir nicht so sicher, ob ich mich freuen soll.«
Hipp nahm die Brille ab und rieb sich müde die Augen. Nun gut, sie würde kommen. Und was dann? Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen.
Er sah Gina aus dem Haus treten. Sie hatte enge Jeans an und eine rote Bluse. Die hochhackigen Schuhe, gegen die sie ihre schweren Bergstiefel eingetauscht hatte, wirkten sich dramatisch auf ihren Gang aus. Er war nicht mehr fest und männlich, nein, mit diesen wiegenden Schritten glich sie eher einer geschmeidigen Katze, einer Katze auf dem Laufsteg. Eigentlich schade, dass das keine Verabredung war. Er hätte sich gewünscht, sie würde ihm nicht so gut gefallen.
»Wo ist Ihr Alfa?«, begrüßte sie ihn. »Springt er nicht an? Brauchen Sie einen Mechaniker?«
Hipp, der aufgestanden war, verneinte lachend und bot ihr einen Platz an. »Schön, dass Sie gekommen sind. Ich weiß, mein Überfall ist etwas überraschend …«
»Das haben Überfälle so an sich. Spendieren Sie mir ein Glas Prosecco?«
»Gerne.«
»So, und jetzt bin ich auf Ihre Erklärung gespannt. Ich hoffe, sie überzeugt mich.«
Hipp stellte fest, dass es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren. Daran war Ginas Bluse schuld. Nun, genau genommen nicht die Bluse, sondern die Tatsache, dass sie die obersten Knöpfe offen gelassen hatte. Er nahm sich vor, ihr ab jetzt nur noch ins Gesicht zu sehen.
»Fangen wir mit dem Einfachsten an. Wir haben uns in Alba vor dem Hotel getroffen. Sie haben mir netterweise Ihren Vornamen verraten. Es war nicht schwer, den Portier zu überreden, mir Ihren Nachnamen und Ihre Adresse zu nennen. Fürs Telefon gibt’s eine Auskunft.«
»Sie hätten es sich einfacher machen können. Warum haben Sie mich nicht im Auto nach meiner Adresse gefragt?«
»Weil ich da noch nicht wusste, dass ich Sie wiedersehen möchte.«
Sie schaute ihn lächelnd an. »Haben Sie von mir geträumt? Oder woher kommt der Sinneswandel?«
»Meine Träume behalte ich für mich, sie sind nicht immer jugendfrei.«
»Also doch!«
»Nein, leider gibt es andere Gründe. Jetzt kommt der schwierigere Teil meiner Erklärung. Gina, versprechen Sie mir was?«
»Kommt darauf an.«
»Dass Sie nicht aufstehen und weggehen. Geben Sie mir mindestens eine halbe Stunde.«
»Eine halbe Stunde? Gut, ich glaube, so lange halte ich es mit Ihnen aus. Versprochen!«
»Ich habe Ihren Vater Hubertus Rettenstein gekannt«, ließ Hipp die erste Bombe platzen.
Wie erwartet zuckte Gina zusammen, von einem Augenblick auf den anderen wich das Lächeln aus ihrem Gesicht. Sie schob ihren Stuhl zurück und wollte aufstehen.
»Gina, Sie haben mir etwas versprochen.«
Ihr Atem ging schwer, es hatten sich zwei steile Falten auf ihrer Stirn gebildet.
»In Ordnung, ich bleibe. Woher wissen Sie, dass Rettenstein mein Vater ist? Waren Sie ein Freund von ihm?«
»Danke fürs Bleiben. Um mit der zweiten Frage zu beginnen, nein, er war kein Freund von mir. Aber wir kannten uns. Und da er wusste, dass ich gelegentlich anderen Menschen helfe, wenn sie in der Klemme stecken, hat er mich vor einigen Wochen kontaktiert, um ihm in einer bestimmten Angelegenheit zur Seite zu stehen.«
»Sie helfen anderen Menschen? Aus Nächstenliebe?«
»Nein, normalerweise gegen Bezahlung. Aber, um es gleich zu sagen, ich habe den Hilferuf Ihres Vaters ignoriert. Ich bin erst aktiv geworden, als ich in der Zeitung von seinem Tod gelesen habe.«
»Hat er Ihnen gesagt, dass ich seine Tochter bin?«
»Nein, ich habe überhaupt nicht mit ihm gesprochen. Ich bin nach seinem Tod nach Alba gefahren und habe mich dort umgehört. Dass wir uns vor dem Hotel getroffen haben, war ein Zufall. Unfreiwilligerweise hat mich Avvocato Romagnosi auf Ihre Spur gebracht. Er hat von einer unehelichen Tochter gesprochen, die das Vermögen von Rettenstein erben würde. Er hat zwar Ihren Namen verschwiegen, aber Bologna als Wohnort genannt. Und von seiner Empfangssekretärin habe ich erfahren, dass Sie am Vormittag beim Avvocato waren.«
Gina nahm das Glas mit dem Prosecco und trank es in einem Zug leer.
»So, und jetzt sind Sie hier, um mich um mein Erbe zu bringen. Ist es das?«
Hipp schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Ich gönne Ihnen das Erbe. Sie bleiben sitzen, versprochen?«
»Noch zwanzig Minuten!«
»Ich würde gerne wissen, wer Rettenstein umgebracht hat. Es war kein Unfall, das ist Ihnen bekannt?«
»Ja, der Avvocato hat mich informiert.«
»Rettenstein hatte mich um Hilfe
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