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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Bewegungen.

    »Eine Rechnung?«, rief Tanja, als Sabina sie anrief. Im Hintergrund brummte ein Föhn – offensichtlich hatte sie noch eine späte Kundin.
    »Mit Rechnungsnummer«, sagte Sabina. »Ich hab ja mit allem gerechnet – aber nicht damit.« Ihre Hände zitterten. Ungläubig starrte sie auf den Betrag.
    »Was steht ist denn als Rechnungsgrund angegeben?«
    »Erstellung eines Businessplans, Beratungsleistungen für Firmenneugründung, Marktanalyse, Statistik, Erstansprache von Neukunden …«
    Sie hörte die Missbilligung in Tanjas Stimme. »Dabei hat er dir das alles regelrecht aufgedrängt! Das hättest du auch selbst hingekriegt, der spinnt wohl.«
    »Halt dich fest, wenn du hörst, wie viel er dafür haben will.«
    Der Föhn verstummte. »Wie viel denn?«, flüsterte Tanja.
    Sabina flüsterte zurück. »Zehntausend.«
    »Ach du lieber Gott.« Der Föhn fing wieder an zu brummen. »Der hat doch ein Rad ab, sag mal, ich glaub, ich lach mich tot!«, rief sie.
    »Ich mich nicht, Tanja. Was soll ich denn jetzt machen?«
    Tanjas Stimme klang selbstsicher. »Gar nichts natürlich! Du musst dir gar keine Sorgen machen. Es gibt ja keinen Vertrag, keine Vereinbarung.«
    »Nein. Natürlich nicht.«
    Tanja horchte auf. »Oder meinst du, er hat dir in weiser Voraussicht mal irgendwas untergejubelt?«
    Sabina zögerte. »Quatsch, hat er nicht.«
    »Sabina?«
    »Ich überlege nur. Nein. Da war nichts.«

    Doch der Stachel des Zweifels saß.

    Die schlimme Nachricht von Jens' Tod hängt mir tagelang nach. Tagsüber vergesse ich es meist, aber abends, im Bett, da kommen sie wieder, die Gedanken und Erinnerungen. Jens ist tot, er ist nicht mehr da. Nicht nur, dass er nicht hier bei mir ist – daran habe ich mich längst gewöhnt –, er ist nicht mehr auf der Welt. Ich vermag mir nicht einmal mehr vorzustellen, wie er in seiner Wanne liegt und Zeitung liest – in seiner Wohnung wird ein anderer leben, Jens ist ausgelöscht. Ein entsetzlicher Gedanke. Sabina und Johannes sind besorgt, geben mir Globuli, aber ich kann nicht aufhören zu weinen. Sabina sitzt oft bei mir, nimmt mich in den Arm, will mich mit Oles und Nils' Büchern ablenken, aus denen sie mir vorliest, aber ich kann mich gar nicht darauf konzentrieren. Ich denke daran, wie Jens und ich unser gemeinsames Leben planten und mein Unglück auch ihn aus der Bahn katapultierte. Wie muss er sich gefühlt haben? So grausam es klingen mag – ich habe noch nie daran gedacht. Wie hat er die Tage verbracht, wie die Nächte? In einer Wohnung, die auf mich vorbereitet war? Und plötzlich überkommt mich eine andere Erkenntnis. Es spielt keine Rolle mehr, gar keine, denn wir sind beide tot. Auch von mir ist nichts mehr übrig – so wie ich früher war, gibt es mich nicht mehr. Im Grunde sind wir vereint.
    Dieser Gedanke tröstet mich und lässt mich sogar bei der Vorstellung schmunzeln, er wäre tatsächlich vorbeigekommen und hätte mich so gesehen. Erst mal mein Allgemeinzustand. Und dann die Frisur, die sie mir verpasst haben! Beim Friseur war Sabina ein einziges Mal mit mir, ihre Freundin Tanja warf nach einer Weile die Arme in die Luft und behauptete, sie werde mir noch ein Auge ausstechen, wenn ich nicht aufhörte zu zappeln. Ich kann es eben nicht haben, wenn man mir am Kopf herumfummelt. Vermutlich schneidet Sabina mir die Haare, wenn ich schlafe – keine Ahnung, wie sie es anstellt. Dementsprechend sehe ich aus. Plötzlich muss ich lachen. Vielleicht guckt er von da oben auf mich runter!? Fast scheint es so, denn es ist, als ob jemand mich berührt, mich streichelt und beruhigt, und es ist nicht Johannes, der neben meinem Bett sitzt und mich überrascht ansieht. Ich grinse und sage: »Gut.«
    Ich bin selbst überrascht, wie leicht mir das über die Lippen kam. Er guckt mich an wie vom Donner gerührt und lächelt ungläubig. »Ist es wieder gut?«, fragt er. Ich nicke. »Gut«, sage ich. Er ruft ganz aufgeregt nach Sabina, und als sie bei uns steht, fordert er mich auf, das eben Gesagte zu wiederholen.
    » A-a-a-«, sage ich.
    Sabina und Johannes lachen.

Silvie
    Markus Schüsslers Tränen flossen nicht gerade in Strömen, doch er war ehrlich außer Fassung. Und wenn wir ihm glauben sollten, dann war Matthias so etwas wie sein Vorbild – ich will nicht sagen Idol, das klingt übertrieben, doch er sah zu ihm auf. So recht konnte ich mir das nicht vorstellen, doch je mehr er erzählte, desto mehr änderte sich meine Sicht auf Matthias. Gut, vielleicht war er

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