Hirngespenster (German Edition)
ein Mensch, mit dem ich nicht viel anfangen konnte, aber das hieß ja nicht, dass er grundsätzlich eine Niete war. Im Geschäftsleben bestimmt nicht. Markus Schüssler berichtete, dass die Immobilienfirma, in der die beiden seit einigen Jahren als selbständige Makler tätig waren, selbst in große Bauvorhaben investiert hatte – davon ausgehend, dass man alles ohne Probleme verkaufen oder vermieten könne. Über Jahre hatten die Banken bei Fuß gestanden, sobald ein Vorvertrag mit potenziellen Mietern oder Käufern bestanden hatte. Plötzlich aber – mit der Finanzkrise – hatten sich die Zeiten geändert. Zwar gäbe es in Deutschland keine Immobilienkrise, so wie in den USA oder Spanien, aber die Banken schauten genauer hin. Und dass Verträge platzen oder Bankenzusagen zurückgezogen werden könnten, damit habe allein Matthias gerechnet – er sei stets gegen diese Investments gewesen. Das Kerngeschäft, die Vermittlung von Wohn- und Büroflächen, sei dennoch auf Wunsch der Partner vernachlässigt worden; man habe schnell und bequem das große Geld machen wollen. Und Matthias, der Anteile in der Firma hatte, wenn er auch kein Geschäftsführer war, hatte Geld nachgebuttert – wie viel genau, das wusste Markus Schüssler nicht, aber es sei sicherlich kein Klacks gewesen.
»Hat man ihm das Geld nicht zurückgezahlt?«, fragte ich.
»Das bekommt man nicht einfach zurück, wenn man die Anteile erhöht. Aber er hat natürlich damit gerechnet, dass der Gewinn verteilt wird.«
»Aber es gab keine Gewinne?«
Markus Schüssler hob die Schultern. »Das Geld war ja nicht weg, die Gesellschafter haben nur mehrheitlich beschlossen, nichts auszuschütten. Man hat stattdessen Rücklagen gebildet – auf persönliche Belange wurde keine Rücksicht genommen. Es ist nicht so, dass die Firma pleite wäre – nur, die Geschäfte laufen schlecht, gerade auch, weil einer unserer Kollegen Mist mit einem Objekt gebaut hat und einer Bank in die Quere gekommen ist, da hat es eine Klage gegeben.«
»Um die Angelegenheit hat er sich auch gekümmert?«, fragte ich, obwohl ich ja schon davon gehört hatte.
»Er hat sich um alles gekümmert. Er war überkorrekt, auch wenn er wie wir alle nur ein Rad in der Mühle ist beziehungsweise … war.« Bei dem Wort war zuckte er wieder zusammen und rang um Fassung.
»Und über seine familiäre Situation hat er nie etwas erzählt?«, erkundigte ich mich.
Markus Schüssler betrachtete mich nachdenklich. Dann sagte er: »Wir fanden es schon merkwürdig, dass er seine Frau in letzter Zeit nicht mehr zu geschäftlichen Anlässen mitgebracht hat – zu denen alle anderen mit ihren Frauen oder Freundinnen kamen. Und dann gab es das Gerücht, dass sie … naja, psychische Probleme hat. Aber ich konnte mir das überhaupt nicht vorstellen.« Er machte ein ratloses Gesicht. »Das passt nicht zu ihm. An seiner Seite hätte ich mir eher eine Powerfrau vorgestellt.«
Ich auch, dachte ich. Eine Resolute, die sich nicht unterbuttern lässt. Nachdenklich betrachtete ich ihn, fragte mich, ob ich ihm vertrauen konnte. »Sagen Sie«, begann ich schließlich, »können Sie sich vorstellen, dass mein Schwager meiner Schwester gegenüber jemals handgreiflich geworden ist?«
Markus Schüsslers Blick schweifte ab, blieb am Fußboden hängen – offenbar rang er mit sich, ob er meine Frage beantworten sollte. Also doch, dachte ich, er hat sie geschlagen. Markus Schüssler schluckte. Dann sagte er: »Ich kenne Ihre Schwester nicht. Mir hat nur einer unserer Kunden von einem Vorfall erzählt, das ist schon länger her, da ist, äh, Ihre Schwester in einer Art Schlafanzug bei einem Geschäftsessen aufgekreuzt. In einem Restaurant.« Er warf mir einen unsicheren Blick zu, ob er fortfahren sollte, doch ich blinzelte nur zustimmend. »Und man erzählte sich«, fuhr er fort, »dass Matthias sie am Arm gepackt habe, um sie rauszubringen. Nicht weiter schlimm, er wollte nur, dass sie da verschwindet – in gewisser Weise verständlich. Und da war es wohl so, dass sie sich den Arm hielt und laut heulte, gerade so, als hätte er sie wirklich misshandelt oder geschlagen.« Er flüsterte nun. »Sie hat wohl ein ziemliches Theater veranstaltet.«
»Wirklich?«, fragte ich und inspizierte nun ebenfalls den Fußboden.
Markus Schüssler hob unglücklich die Schultern. »So erzählt man sich.«
»Nun wissen wir also, wofür er seine Konten überzogen hat und wieso er seinen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte«, sagte Jens
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