Hirngespenster (German Edition)
weiter: »Na, er kam doch zu mir ans Bett und hat mir erzählt, dass Matthias' Versicherung ungültig wäre, aber dass sich da etwas machen ließe, wenn ich in eine Klinik ginge.«
Ich legte den Kopf schräg. »Ich verstehe nur Bahnhof, Anna.«
Sie guckte in die Luft. »Warte, wie hat er sich ausgedrückt? Ach ja: Wenn man mal eine Versicherung hatte, sie aber nicht bezahlt hat, dann gibt es eine Übergangsfrist, innerhalb derer die Hinterbliebenen dann noch einen Anspruch haben, wenn sie besondere Härte nachweisen können.«
In meinem Kopf summte es. »Das hat er gesagt?«
Plötzlich schlug sie sich mit der flachen Hand auf den Mund und sah mich mit großen Augen an. »Ich glaub, ich hätte das gar nicht sagen dürfen. Ich glaub, er wollte, dass ihr denkt, ich sei von mir aus in die Klinik gegangen.« Schuldbewusst blickte sie mich an. »Oh Mist. Da hab ich jetzt gar nicht mehr drangedacht.«
»Moment mal«, bat ich. »Ich erzähle es keinem. Aber das ist jetzt wirklich wichtig: Wann hat er das zu dir gesagt?«, fragte ich angestrengt.
»Hhmm. Schwer zu sagen.« Sie überlegte und sagte dann: »Eigentlich ist es doch egal. Warum ist das so wichtig?«
»Es ist eben wichtig. Denk nach.«
Sie betrachtete mich unsicher, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Es war an dem Tag, als der Polizist nach der Lebensversicherung gefragt hat. Wir waren gerade mitten im Gespräch darüber. Er versuchte mich zu überzeugen, dass ich in eine Klinik müsste, weil er meine Dosis an Tabletten bedenklich fand, und ich wollte nicht.«
»Ja, du hattest morgens zu Papa gesagt, du bräuchtest keine Klinik, weil du nur ab und zu eine Tablette nähmest.«
»Meine Rede seit langem. Ich wollte nicht, dass man mich einliefert.«
»Keiner wollte dich einliefern, Anna, du solltest freiwillig gehen.«
»Genau. Und dann würde ich das Geld bekommen, hat Herr Reimer gesagt.«
Ich starrte sie tonlos an, wusste nicht, was ich sagen sollte. Normalerweise hätte ich sie nach einem Schnaps fragen müssen, um wieder Leben in mich zu bringen.
»Hast du was, Silvie?«, erkundigte sie sich besorgt.
Ich stand auf und sah auf die Uhr. Wenn ich mich beeilte, dann konnte ich ihn noch erwischen. »Alles bestens«, lächelte ich und zog meine Jacke über. »Ich komme bald wieder.«
Heute hat Sabina Nussecken gebacken, die liebe ich. Meine Mutter hat sie früher auch oft gemacht, und schon damals war ich verrückt danach. Die Jungs lieben sie auch; Sabina gibt ihnen auch immer reichlich davon, aber mir total wenig. »Zu viel Zucker«, sagt sie und legt mir dann immer höchstens eine halbe hin. Bin ich vielleicht wirklich zu dick? Immerhin nennen sie mich ständig so. Mit dem Arzt haben sie das auch schon diskutiert, und schließlich einigten sie sich darauf, ich sei eben etwas handfester. Was auch immer man sich darunter vorstellen soll. Tatsache ist, ich war schon mal schlanker.
Trotzdem würde ich zu gerne mal eine versuchen. Sie riechen so gut. Ich beobachte, wie Sabina eine Hand auf ihren Rücken legt, sich langsam auf einen Küchenstuhl sinken lässt und wieder auf die Tischplatte starrt. Dann streicht sie über ihren dicken Bauch. Sie tut das oft in letzter Zeit. Und während sie so dasitzt und nachdenkt, da recke ich meinen Hals, schiele um die Ecke zum Couchtisch und betrachte verstohlen den Teller mit den frisch gebackenen Nussecken, den sie für irgendjemanden Hochwichtiges vorbereitet hat. Der Teller steht dort zum Abkühlen, bereit für die Gäste. Ich sehe mich unauffällig nach ihr um, doch sie hat sich eine Zeitung gegriffen. Langsam schlendere ich zum Couchtisch, drehe ihr den Rücken zu und schnappe mir eine Nussecke. Herrlich! Sie ist noch ein bisschen klebrig, die Schokolade ist noch nicht ganz fest. Vorsichtig knabbere ich mit spitzen Zähnen eine Ecke ab und lasse sie auf der Zunge zergehen. Hhmm. Sie schmeckt wunderbar. Die Nussmasse ist nicht so mein Fall, ich knabbere die schokoladigen Ecken der beiden anderen Seiten auch noch ab, sehe mich unauffällig nach Sabina um und plaziere die Nussecke vorsichtig wieder auf dem Teller. Fällt kaum auf, dass die Ecken fehlen! Und Sabina liest weiter. Ich kann mein Glück kaum fassen, greife mir die nächste Nussecke und nehme schnellstens jeweils einen Bissen von den Ecken, und zack, lege ich sie wieder auf den Teller zurück. Ich kann nicht eher aufhören, bis ich alle Nussecken abgeknabbert habe, und finde, dass das richtig gut aussieht. Zufrieden betrachte ich den Haufen
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