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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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angeknabberter Nussecken, wische meine Hände an der weißen Tischdecke ab und höre plötzlich, wie ein Stuhl gerückt wird. Ich wende meinen Kopf und frage mich, wie sie wohl reagieren wird. Bei Sabina weiß man nie. Sachen, die mir gefallen, treffen nicht immer ihren Geschmack.

    Wir standen draußen auf der Straße vor Jens' Versicherungsgebäude, und ich tobte. »Du wusstest ganz genau, dass ich dem Betrug nicht zustimmen würde, und hast es trotzdem gemacht – nachdem du mir erzählt hast, die Sache sei schon über die Bühne. Du hast mich angelogen!«, schrie ich.
    Jens schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Es war am Tag vorher, als ich ihr erklären wollte, dass es keine Versicherung gibt. Da habe ich bemerkt, dass sie Tabletten schluckte. Ich hab's nicht übers Herz gebracht, bin am nächsten Morgen ins Büro und hab den Datensatz geändert.«
    »Du lügst doch! Anna hat gesagt, du hast ihr was von einer Übergangsfrist erzählt, und wenn sie in eine Klinik ginge, dann würde die Versicherung zahlen!«
    » Ihr wolltet doch unbedingt, dass sie in eine Klinik geht – ich versuchte doch nur, sie dazu zu überreden, und zwar in dem Moment, als du mit der Polizei ins Schlafzimmer kamst. Dass ich ihr dafür die Versicherungsprämie versprochen habe, nein, Silvie, da hat sie was falsch verstanden!«
    Ich funkelte ihn böse an. Wer log hier? Am Ende hatte ich selbst einen Dachschaden. So verrückt konnte Anna doch nicht sein, dass sie alles durcheinanderbrachte. »Wir hätten es auch ohne die blöde Versicherung geschafft, andere verlieren auch alles, und die Welt dreht sich weiter«, erklärte ich.
    Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und schüttelte den Kopf, immer wieder.
    »Ich will, dass du mir jetzt sofort die Wahrheit sagst!«, brüllte ich so laut, dass sich die Passanten nach uns umwandten.
    Er funkelte mich böse an. »Gut, dann sag ich dir was. Bevor du mit der Polizei ankamst, hab ich versucht, ihr schonend beizubringen, dass nichts übrig ist von der Versicherung. Sie hat wieder zwei Tabletten auf einmal eingeworfen und zu mir gesagt, wenn sie das Haus verlöre, dann sei ihr alles egal, dann ginge sie eben ins Gefängnis.«
    Ich tippte mir an die Stirn. »Ins Gefängnis? Was für ein Schwachsinn.«
    »Genau, was für ein Schwachsinn – hab ich auch gesagt! Ich sagte, wenn sie das Haus verkauft, dann kann sie mit den Kindern in eine Wohnung in der Nähe deiner Eltern ziehen und eine Therapie machen. Und sie sagte wieder, nein, das werde sie auf gar keinen Fall tun, niemals würde sie sich einliefern lassen. Sie hätte immer auf ein Haus gespart und gespart und gespart. Sie wurde richtig hysterisch und hat wieder in der Schublade gekramt und gebrüllt, man wolle ihr noch das Letzte wegnehmen, was sie hätte. Und dann weinte sie, dass alles umsonst gewesen sei, am Ende hätte doch Matthias gewonnen, und die ganze Warterei und die vielen Monate, die sie in der Hoffnung gelebt hatte, endlich frei zu sein.«
    Ich ließ die Schultern sinken. »Gewartet? Auf was denn? Um frei zu sein? Was soll das alles bedeuten?«, fragte ich.
    »Ich sag's ja, es klang alles so hirnrissig, bis ich's endlich begriffen habe.«
    »Es wäre nett, du würdest es mir langsam erklären, Jens. Ich wüsste vor allem gerne, warum du mir das alles erst jetzt erzählst.«
    »Ich wollte nicht, dass du die Entscheidung treffen musst. Ich wollte, dass es euch allen gutgeht, verdammt noch mal, und wenn ich der Polizei gesagt hätte, dass sie ihn umgebracht hat, um frei zu sein, was glaubst du denn, wie es heute aussehen würde?«
    Ich wankte zur Straßenlaterne zu unserer Linken und hielt mich an ihr fest. »Sie hat ihn umgebracht?«, hauchte ich.
    Jens rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich weiß nicht, ob sie absichtlich gegen den Pfeiler gefahren ist oder nicht. Tatsache ist, dass sie ihm Herbstzeitlose in den Salat gemischt hat. Denk doch mal nach! Warum hat denn der Nachbar so eilig den Rasen abgeschält? Die wussten ganz genau, was los ist!«
    Ich nickte verstehend. Die ganze Zeit über hatte ich es gewusst, aber verdrängt, weggeschoben, innerlich abgehakt, mir vorbetend, es sei ein Unfall gewesen. Mir fielen die Röntgenblicke wieder ein, die Christine Brückner mir auf der Beerdigung zugeworfen hatte. Als wolle sie mir etwas sagen – wäre ich auch nur einen Schritt auf sie zugegangen. Der Blick hatte um Einverständnis gefleht, und ich hatte einen weiten Bogen um sie gemacht. Vorgegeben, mit dem

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