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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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er gesagt.
    Nachdenklich betrachtete sie die Blätter in ihrer Hand. Viel zu viele! Sie hatte nicht aufgepasst, war mit Zählen beschäftigt gewesen, nicht mit Aufpassen. So wie neulich, als Lunas Lehrerin sie lächelnd gefragt hatte, warum sie Luna drei Entschuldigungen für einen einzigen Fehltag geschrieben hatte. Drei identische Zettel mit dem gleichen Wortlaut. Und nichts davon mitbekommen! Sie musste gelegentlich die Dosis erhöhen, wobei, das ging ins Geld. Und bei Geld, da kannte Matthias keinen Spaß. »Was machst du mit dem ganzen Geld?«, fragte er. »Das bringe ich in die Apotheke«, könnte sie sagen, aber sie verkniff es sich und zuckte nur mit den Schultern. Allein übers Jahr die ganzen Apotheken Bad Homburgs abzugrasen war anstrengend genug. Meistens ging sie zu Fuß, mit dem Auto traute sie sich nicht mehr. Dabei war sie Stunden unterwegs. Einmal hatte sie ein Mann angesprochen, ob er ihr helfen könne.
    »Wobei?«, hatte sie gefragt, vom Bordstein aufgesehen und ihr Zählen der Gullydeckel unterbrechen müssen. Da war er kopfschüttelnd weitergelaufen.
    Sie hatte ein System. Im Stadtplan hatte sie die Apotheken eingezeichnet. Sie nahm sich immer drei auf einmal vor, so wie sie immer ihre drei Ärzte abklapperte. Von jedem bekam sie zwei Rezepte, die sie jeweils in eine Apotheke brachte. Frau Wein, die Alte aus der Zentrumsapotheke, hatte Matthias einen Wink gegeben. »Ihre Frau nimmt zu viele Tabletten, behalten Sie das im Auge.« Matthias hatte es ihr brühwarm erzählt, wieder mit diesem Einliefern-Blick. Diesen Fehler machte sie nicht noch einmal, neinneinnein. Keine Apotheke Bad Homburgs sah sie nunmehr öfter als einmal im Jahr.
    Als sie einen Fuß ins Wohnzimmer setzte und ihre Zehen den warmen Holzboden berührten, zuckte sie zurück. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie barfuß war; ihre Füße waren eisig kalt und völlig verdreckt. Erschrocken legte sie die Blätter beiseite, die sie geerntet hatte, warf einen kurzen Blick über Christine Brückners Terrasse hinweg in das Wohnzimmer der Nachbarin und betete, dass ihr nicht auch noch Christines Rückkehr vom Einkaufen entgangen war. Wenn, dann war alles aus. Dann konnte sie sich eine neue Strategie überlegen, eine ganz neue. Eilig griff sie sich ein kleines Handtuch, das für diese Zwecke auf der Terrasse bereitlag, und wischte sich die Füße blank. Erst die Sohle, dann die Zehen, zum Schluss den Spann. Falsche Reihenfolge. Unlogisch. Wieder von vorn. Sie wendete das Tuch, begann beim Spann über die Zehen zur Sohle – eins – zwei – drei – sauber. Schnell griff sie nach ihrer Ernte, eilte tapsend durchs Wohnzimmer, durchquerte den Flur und spähte aus dem Türspion auf den Vorplatz. Christines Wagen war noch immer fort. Gott sei Dank!

    »Du hast auch was gekocht?«, fragte Matthias erstaunt und lugte in die Pfanne.
    »Die Fischstäbchen sind für mich und die Kinder«, antwortete sie und wartete verstohlen auf seine Reaktion. Aber er nickte nur anerkennend und holte aus seinem Korb den frisch geernteten Bärlauch hervor.
    »Dass du keinen Salat magst«, sagte er, wie schon hundertmal zuvor, und begann vorsichtig, die feinen Blätter in der Spüle abzuwaschen. Wenn er auch sonst nichts im Haushalt tat, den Bärlauch wusch er stets selbst. »Hast du alles für den Salat vorbereitet?«, erkundigte er sich.
    »Natürlich, wie immer«, antwortete sie und schob ihm die Schüssel mit den zerkleinerten Kräutern unter die Nase. Wie er so an dem Gefäß schnupperte, erinnerte er sie an früher, als sie noch jeden Tag für ihn gekocht hatte, immer ein anderes Rezept. Damals hatte er sie manchmal umarmt und geküsst. Das war lange vorbei, inzwischen schubste er sie Treppen runter – auch wenn er behauptete, er habe sie halten wollen, als sie strauchelte.
    »Was ist das da?«, fragte er und deutete auf ein kleines hellgrünes Fitzelchen Etwas.
    »Wird ein Grashalm dazwischengeraten sein«, antwortete sie und zog das Stück mit zittrigen Fingern aus der Masse. Hoffentlich flippte er nicht gleich aus und schüttelte sie, nur weil ihr ein Missgeschick passiert war. Doch heute schien er friedlich zu sein. Behutsam griff sie nach den gewaschenen Blättern und mischte sie unter die Masse, so dass sie nicht vermatschten, das mochte er nicht. Zuoberst platzierte sie die Tomatenviertel, so dass die Portion aussah wie im Restaurant. Anschließend schob sie die Schüssel beherzt in seine Richtung. »Stellst du ihn auf den Tisch, bitte?«
    Er wandte den

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