Hirngespenster (German Edition)
wir konnten eine neue Versicherung auf sein Leben abschließen, kein Thema.
Trotzdem brach ein Vorwurf aus mir hervor. »Du hättest das mit mir absprechen müssen, vorher! Jetzt habe ich gar keine Wahl! Wenn das rauskommt, dann wanderst du in den Knast!«
»Ich wandere aber nicht in den Knast! Und auch sonst keiner! Jetzt denk doch mal nach, wenn Anna ohne Geld dastünde, wäre eure ganze Familie am Arsch. Das will ich nicht! Ich will, dass wir wenigstens noch den Hauch einer Chance haben!«
Ich starrte ihn an. Hätte ihm sagen sollen, dass ich meinen Eltern noch lange nicht zumuten konnte, mich von Johannes zu trennen. Alles, was das betraf, rückte in unerreichbare Ferne – für mich zumindest. Das Wort Betrug pochte in meinem Kopf. Versicherungsbetrug. Und ich mittendrin. »Ich könnte eine Bank ausrauben«, schlug ich vor und meinte das vollkommen ernst.
Jens lächelte. »Das brauchst du nicht mehr, die Sache ist schon über die Bühne. Ich habe heute im Büro alle Datensätzegeändert, inklusive Matthias' Unterschrift.«
»Und wenn die einer prüft?«, fragte ich skeptisch.
Er schüttelte den Kopf: »Wir haben noch nie eine Unterschrift geprüft.« Teilnahmsvoll schaute er mich an. »Mach dir nicht zu viele Sorgen. Du glaubst gar nicht, wie viele Betrügereien laufen, und keiner merkt was.«
Ich betrachtete ihn nachdenklich. Über die Dinge, die keiner merkte, konnte es schwerlich eine Statistik geben. »Hast du schon jemals was gedreht, und es ist nicht rausgekommen?«, fragte ich hoffnungsvoll. Ein positiver Erfahrungsbericht hätte mich aufgebaut. Doch Jens schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Uns wird was anderes einfallen«, sagte ich und sah wieder aus dem Fenster. Aber uns fiel nichts anderes ein. Nicht, dass wir ernsthaft darüber nachgedacht hätten. Ohnehin lief uns die Zeit davon. Wir mussten bei Jens' Versicherung die Ansprüche anmelden, damit alles ganz normal aussah. Ich verstand nicht, wieso er mir nichts davon gesagt hatte, als er ein paar Stunden zuvor ins Haus gekommen war. Wieso war er erst vor der Polizei damit herausgerückt und hatte riskiert, dass ich alles auffliegen ließ? Und wie hatte er so cool sein können, am Morgen ins Büro zu marschieren und die Unterlagen zu manipulieren, so dass Johannes zu Matthias Ziegler wurde? Ohne das mit mir zu besprechen! Ich betrachtete ihn prüfend. Er hatte es nur gut gemeint, nicht so, wie der kleine unliebsame Gedanke es mir einreden wollte, der in meinem Kopf hämmerte: Mit dieser Sache bin ich dir auf ewig verpflichtet, Jens Reimer.
Anna unterschrieb mein Schreiben an die Versicherung noch am selben Abend. Sie ahnte wirklich nichts. Sie fragte nicht einmal nach, wie es dazu kam, dass aus zwei Millionen plötzlich Fünfhunderttausend geworden waren.
Mir hätte das auffallen müssen, aber das tat es nicht. Ich wunderte mich über gar nichts mehr.
Sabina
»Gruselig«, bemerkte Tanja über den Kopf einer Kundin hinweg. »Echt gruselig. Und dir fällt nicht ein, wen Olga meinen könnte?«
»Beim besten Willen nicht«, sagte Sabina. »So wie es aussieht, werde ich wohl zahlen oder mich auf einen Rechtsstreit einlassen müssen.«
»Warte wenigstens, bis eine Frau stirbt«, scherzte Tanja und lachte laut über Sabinas säuerlichen Gesichtsausdruck. »Könnte schon morgen so weit sein, die eine oder andere Frau stirbt immer wieder gerne.«
»Genau. Ich könnte mir in den nächsten Wochen die Todesanzeigen vornehmen und schauen, ob mir ein Name bekannt vorkommt. Was unwahrscheinlich ist, wenn man bedenkt, wie wenige Leute ich in Frankfurt kenne.« Sabina zählte an ihren Fingern auf: »Da bist du …« Tanja warf ihr einen zerknirschten Blick zu. »… da wären diverse Boutiquenbesitzerinnen, die ich seit kurzem kenne. Meine Kolleginnen von früher …«
»Verkäuferinnen in Supermärkten und Buchhandlungen …«, scherzte Tanja.
»Ich kann nicht glauben, was wir hier reden«, lachte Sabina. »Wenn Olga wüsste, wie ernst ich die Sache nehme, sie würde stolz wie ein Gockel durch die Gegend rennen!«
»Jetzt mal im Ernst. Ich würde auf jeden Fall mit der Zahlung warten, bis er dir eine Mahnung schickt. Eine Mahnung kann nicht schaden. Damit gewinnst du erst mal Zeit. Und wer weiß, vielleicht kommst du noch auf andere Art an Geld, wovon du jetzt noch gar nichts weißt.«
»Könnte sein«, nickte Sabina. »Aber Männer kenne ich noch weniger. Schon gar keinen, der mir Geld schenken würde.«
Ich frage mich, ob sie Anna nun anrufen
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