muss mich füttern. Auf dem Löffel ist eine Micky Maus abgebildet; ich wette, Sabina hat ihn aus Amerika importiert. Und dann all das, was sie mir beibringen wollen. Allen voran Johannes, er lässt nicht locker. »Streng dich mal ein bisschen an, Mädel«, sagt er, und ich muss auf dem neuen grünen Teppich im Wohnzimmer auf dem Bauch liegen und die Beine strecken – für die Muskulatur. Und dann andersherum, auf den Rücken, Beine nach oben. Mein Gott, ist das anstrengend. Hoch, runter, hoch. Und wieder andersherum. Sogar Sabina zeigt Erbarmen und versucht, ihn zu stoppen. »Du tust ihr doch weh!«, wendet sie ein, und es kam schon vor, dass ich mich Schutz suchend an sie klammerte.
Manchmal versuche ich, Annas Namen zu sagen, so dass sie sie vielleicht einmal einladen. Aber die Zunge in meinem Mund ist so unbeweglich, sie gehorcht mir nicht. »A-a-a!«, sage ich immerzu. »A-a-a!« Dieses Geschnatter löst wahre Begeisterungsstürme bei meiner Umwelt aus, man klatscht in die Hände. Ich muss mir etwas einfallen lassen. Vielleicht kommt mir ein guter Gedanke, wenn ich mich ein bisschen besser bewegen kann. Falls.
Die Wohnungssuche lenkte mich ein wenig von dem Unheil ab, das sich zwischen Johannes und mir anbahnte, allerdings nicht wesentlich. Denn was unser Sexualleben betraf, so waren wir wieder dort angelangt, wo wir bei der Schwangerschaft mit Nils gewesen waren. Johannes betrachtete mich zwar hin und wieder mit diesem wehmütigen Lächeln, aber sobald ich versuchte, ihm näherzukommen, hatte er jedes Mal eine andere Ausrede parat.
Und ein Verdacht erhärtete sich: Er hatte gar keine Angst davor, dass dem Kind in meinem Bauch etwas passieren könnte, wenn wir miteinander schliefen. Er konnte einfach nichts mit mir anfangen.
Ich hingegen konnte darauf verzichten, mich anzubiedern.
Der dickste Hund kam aber erst noch. Eines Samstagmorgens beim gemeinsamen Frühstück blätterte ich in einer Zeitschrift, Journal Frankfurt, und las eine Anzeige, die mich aufregte. Tierisch aufregte:
Du bist gebunden und willst es auch bleiben? Ich auch! Aber du vermisst das erotische Knistern und bist es leid, nur wie Bruder und Schwester zu leben? Ich auch! Und du hast Angst, bei diesem verrückten Vorhaben erwischt zu werden? Ich auch! Könnte passen! Attraktiver Mann (36) wartet auf deine Mail.
[email protected].
Spontan las ich Johannes die Anzeige vor und bekam sogleich eine rote Birne. Die Anzeige konnte glatt von ihm sein. Lässig nahm er einen Schluck Kaffee und sagte: »Was soll daran schlimm sein? Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, oder?«
»Du meinst, es würde dir nichts ausmachen, wenn ich dich betrügen würde?«, fragte ich.
»Das hab ich nicht gesagt, Silvie. Ich meinte, wenn ich nichts davon wüsste, könnte ich mich auch nicht darüber aufregen.«
Mir war das unverständlich, und ich blickte wieder auf die Kontaktanzeige vor mir auf dem Tisch. Ich fand das unmöglich, es ärgerte mich, was sich dieser Typ da rausnahm. Das Alter stimmte, die Anzeige hätte von Johannes sein können – nicht dass ich ihn für fähig hielt, so etwas zu tun.
Johannes hob die Schultern. »Jeder soll doch machen, was er will; der Typ spielt schließlich mit offenen Karten. Die sich darauf meldet, weiß genau, woran sie mit ihm ist.«
»Aber seine Frau«, wandte ich ein, »die weiß überhaupt nicht, woran sie mit ihrem Mann ist.«
»Stimmt«, sagte er. »Aber, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.« Eindringlich sah er mich an.
»Aha«, sagte ich. War er plötzlich durchgeknallt? Wie konnte man solche Ansichten haben? Wütend schlug ich die Zeitschrift zu, stand schwerfällig von meinem Stuhl auf und schob meinen Bauch an der Tischplatte vorbei. Ich beschloss, Anna zu besuchen. Sie hatte sich seltsam benommen bei unserem letzten Telefonat. Ich würde behaupten, ich wolle doch einen Blick auf die Doppelhaushälfte werfen und käme daher vorbei. Vielleicht kamen wir darüber ins Gespräch.
Nachdem ich meinen Wagen am Straßenrand geparkt hatte, nahm ich zu Fuß die Auffahrt zu Annas Haus, auf der mir prompt Matthias in seinem Wagen entgegenkam. Ich trat einen Schritt nach links, um ihn an mir vorbeizulassen, da verlangsamte er das Tempo und ließ die getönte Beifahrerscheibe seines Mercedes SLK runter. Er warf mir einen überaus skeptischen Blick zu. »Was willst du hier?«, fragte er.
Vor Überraschung vergaß ich den zurechtgelegten Anlass. »Äh. Ich wollte Anna besuchen, ich hab seit ein