Hirngespenster (German Edition)
bleiben und wenn wir uns nichts kaufen können, dann mieten wir was. Vielleicht hast du ab und zu schöne Mietobjekte, Altbau im Nordend zum Beispiel, die könnten wir uns doch zusammen ansehen.«
Ich hatte den Eindruck, als wäre Matthias drauf und dran, mir auf den Tisch zu spucken, so abfällig musterte er mich, noch immer Annas Arm im Griff, die wortlos auf den Tisch blickte.
»Ich habe keine Mietobjekte im Angebot, Silvie. Ich verkaufe.« Mit diesen Worten schob er Anna hinaus in den Flur. Johannes und ich blieben wie angewurzelt stehen, bevor wir ihnen hinterhereilten und nur noch die Wohnungstür ins Schloss fallen hörten. Perplex sahen wir uns an. Er hatte sie abgeführt wie ein Stasioffizier.
Am nächsten Morgen rief ich sie zwischen zwei Redaktionssitzungen vom Büro aus an.
»Sag mal, gab's Ärger bei euch beiden wegen dieser Sache mit dem Haus?«, erkundigte ich mich.
»Nein.«
»Hmhm. Wie bist du da überhaupt draufgekommen, von wegen Johannes und ich suchen ein Haus in Bad Homburg, du weißt doch ganz genau …«
»Ist schon gut! Fang du nicht auch noch an!!«
»Ja, aber – was sollte das Ganze?«
»Ich hab halt gehofft, du könntest hier in die Nähe ziehen. Wäre doch schön. Und Matthias würde sich auch freuen.«
»Ach Anna, er kann uns nicht ausstehen!«
Sie schwieg und sagte schließlich leise: »Ihr ihn doch auch nicht.«
»Ich … kann nichts mit ihm anfangen.«
»Meinst du, ich kann was mit Johannes anfangen? Ihr behandelt Matthias so, als würde er sein Geld mit was Illegalem verdienen. Ist doch klar, dass er von der Provision lebt. Und das Haus, von dem er gestern gesprochen hat, das muss er verkaufen! Er hat diesen Monat noch kein einziges Objekt verkauft, was meinst du, was das für uns heißt?«
»Er soll es einfach jemand anderem verkaufen, wenn es so ein tolles Objekt ist, wie du sagst. Dann hat er seine Provision. Käme mir ohnehin komisch vor, ich würde meinem Schwager eine Provision zahlen.«
»Ach? Du willst es also geschenkt?«, fragte sie. »Was kriegen wir denn von dir geschenkt? Wir haben nicht mal eben so fünfundzwanzigtausend zu verschenken.«
»Aber wir auch nicht! Johannes hat sowieso nur Mist erzählt, wir haben überhaupt kein Eigenkapital, Anna.«
Sie schnaubte. »Du hast wohl Tomaten auf den Augen. Guck dir das Haus seiner Mutter an. Dann das Haus auf Mallorca. Da könnte er locker 'ne Hypothek von einer Million drauf aufnehmen.«
Wie dreist konnte man sein? »Die Häuser gehören seiner Mutter, und die beiden sehen sich kaum!«, rief ich. Johannes' Verhältnis mit Evelyn beschränkte sich auf Weihnachts- und Geburtstagskarten. Oft genug sprach er herablassend von ihr: dass sie nur Sinn für schöne Dinge hätte, nicht für die Menschen um sie herum. Schon gar nicht für ihren eigenen Sohn. Dass sie zu Nils' Geburt gekommen war, hatte an ein Wunder gegrenzt.
»Aber irgendwann mal gehört es ihm, und damit zur Hälfte dir«, sprach Anna weiter. »Dann noch das Haus von Mama und Papa, davon gehört dir ja auch die Hälfte.«
»Anna, wir reden hier von einer Sache, die frühestens in dreißig Jahren eintrifft – wir wollen es zumindest hoffen. Das Geld kann ich doch nicht einplanen, als hätte ich es schon auf dem Konto!«
»Jeder plant so. Meinst du, die Leute, die sich Immobilien kaufen, bezahlen das in bar? Es gibt so viele Finanzierungen, die ohne Eigenkapital laufen. In unserer ganzen Nachbarschaft leben Leute, die alles finanziert haben, inklusive Einrichtung – und das geht gut!«
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Zum ersten Mal kam ich mir in einem Gespräch mit Anna wie die Konservative vor. »Anna«, sagte ich, »für mich ist das nichts. Ich backe lieber kleine Brötchen und weiß, was mir gehört. Ich könnte mir noch nicht mal einen Wohnwagen von meinem Ersparten kaufen, geschweige denn ein Haus. Und wenn ich dann so ein Haus habe, dann bin ich doch auch unflexibel, kann viel schwieriger umziehen und alles.«
»Wo willst du denn hinziehen? Kinder brauchen Stabilität und ein schönes Zuhause!«
»Ach ja?«, fragte ich. »Auch wenn ich mir das schöne Zuhause nicht leisten kann? Es war doch immer deine Rede, man müsse sparen. Jahrelang hast du gespart für ein eigenes Haus.«
Anna schwieg.
»Das, was du mir erzählst, entspricht doch gar nicht dem, was du denkst!«, rief ich.
»Ach Silvie«, sagte sie, »du weißt gar nichts.«
Heutzutage weiß ich noch viel weniger. Kann nicht mal mit dem Löffel umgehen – man
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