Hirngespenster (German Edition)
paar Tagen nichts von ihr gehört und da …«
Er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab und sagte: »Du kannst wieder abzischen, Silvie. Anna hat dir nichts mehr zu sagen. Ich habe ihr verboten, mit dir zu sprechen, und ich rate auch dir, dich daran zu halten.«
Mir blieb der Mund offen stehen. »Verboten?«, fragte ich. »Bist du noch ganz gescheit?«
Er äußerte sich nicht, sondern machte wieder diese Handbewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen, bevor er versonnen auf das Armaturenbrett blickte. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr, als müsste er überlegen, ob sich das Gespräch mit mir überhaupt lohne. Dann stieg er plötzlich aus dem Auto, und ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Über das Dach seines Mercedes hinweg sagte er: »Es ist besser für sie, wenn sie dich nicht sieht, kapiert!?«
Hatten die Männer in meiner Umgebung sie heute eigentlich noch alle?
»Ich werd' einen Teufel tun«, erklärte ich und lief los in Richtung Haus. Mir raste das Herz vor Wut. Was der sich rausnahm! Vielleicht konnte er Anna aus unserer Wohnung abführen – ich hingegen war nicht so leicht herumzukommandieren. Und überhaupt! Dieser ganze Scheiß, nur weil wir das doofe Haus nicht gewollt hatten!
So schnell ich konnte, watschelte ich weiter. Aber Matthias war schneller. Er hielt mich am Arm fest. Seine Stimme hatte nun einen beschwörenden Tonfall. »Silvia, sie hat ein paar Probleme. Lass sie in Ruhe, sie …«
»Probleme?«, fragte ich amüsiert und blieb stehen. Wenn hier einer Probleme hatte, dann doch wohl er. »Was für Probleme?«
Eine kleine Ader auf seiner Schläfe pochte, und er presste die Kiefer aufeinander. »Ich – möchte – dass – du – jetzt – gehst.« Wieder blickte er auf die Uhr.
Ich verschränkte die Arme. »Musst du dringend los?«, fragte ich. »Zu einer Parteisitzung vielleicht oder zu einem Treffen des Lions Club?«
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Mir wurde plötzlich klar, dass ich zu weit gegangen war. Ich konnte ihm nicht sein soziales Engagement vorwerfen, auch wenn ich davon ausging, er bekleide sein Ehrenamt aus politischen Gründen. Besonders in Annas Interesse musste ich nachgeben, immerhin hatte ich ihren Mann vor mir. Ich überlegte, was ich machen sollte. Matthias sah derartig entschlossen aus, dass ich ein Handgemenge befürchtete, wenn ich meinen Kopf durchsetzte. Ich dachte an die von Anna gefürchteten Nachbarinnen, die möglicherweise tatsächlich unsere kleine Unterhaltung mit Interesse hinter den Gardinen verfolgten. Und ich wollte nicht, dass Anna meinetwegen noch mehr Ärger mit ihm bekam. Dass sie Ärger hatte, konnte ich mir lebhaft vorstellen. Andererseits wollte ich wissen, was hier los war. Ich schadete ihr? Das war lächerlich. Und welche Probleme sollten das sein, von denen ich nichts wissen durfte? Ich hob herausfordernd den Kopf und sagte: »Ich komme wieder. Verlass dich drauf.«
Mit wackligen Knien fuhr ich nach Hause und machte mir bei Johannes Luft, der mir riet, meine Eltern anzurufen. Matthias könne mir nicht den Kontakt mit Anna verwehren, nur weil wir sein idiotisches Haus nicht gekauft hatten. Wie recht er hatte! Also rief ich meine Eltern an. Sie waren erstaunt. Ihnen gegenüber sei Matthias immer freundlich und umgänglich – vorbildlich geradezu. Ich bewertete die Situation ganz sicher über. Vielleicht die Hormone? Ich nickte nachdenklich. Vorbildlich also. Und mit Anna hatten sie am Vortag telefoniert, da habe sie allenfalls etwas matt gewirkt. Bei drei Kindern kein Wunder. Von der Geschichte wegen der entgangenen Provision, für die Matthias uns vermutlich verantwortlich machte, wussten sie gar nichts.
Am Sonntag und Montag rief ich bei Anna an und hatte jedes Mal Luna am Apparat. »Die Mama schläft«, sagte sie. Ich bat um Rückruf, aber es kam keiner. Am Dienstag, nachdem Anna am Morgen wieder nicht ans Telefon gegangen war, beschloss ich, noch einmal hinzufahren. Über Mittag war Matthias bestimmt bei diesem Giovanni essen, da würde er mich gar nicht zu Gesicht bekommen.
Um Punkt zwölf Uhr dreißig läutete ich, doch niemand öffnete mir. Das war merkwürdig, Anna holte Emma und Clara im Normalfall um zwölf aus dem Kindergarten ab, und auch Annas X3 stand in der Garage – sie sollten also zu Hause sein. Luna durfte auch jede Minute eintrudeln, wenn sie nicht schon da war. Ich läutete nochmals und meinte, aus dem Haus ein Geräusch zu hören – daher klopfte ich und läutete ein
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