Hirngespenster (German Edition)
nie hatte leiden können, über den sie gemeinsam gelästert und gelacht hatten. Trotzdem. Sie war diejenige gewesen, die Schluss gemacht hatte, nicht er. Genau wie nach Nils' Geburt. Und genau wie diesmal.
»Ich finde es eigentlich ganz cool, auf diesen Parship-Seiten rumzustöbern und zu schauen, was die Leute so von sich schreiben«, log Sabina bei nächster Gelegenheit, als sie wieder einmal bei Tanja im Salon saß.
»Wie viele Kontakte hast du denn konkret?«, fragte Tanja über den Kopf einer weißhaarigen Dame hinweg. Ihr ging diese Suche nach einem Ersatz für Johannes entschieden zu langsam voran.
Sabina druckste: »Ich gucke, Tanja. Schaue mir eben alle möglichen Profile an und so …«
Tanja warf ihr einen scharfen Blick zu. »Vom Gucken lernst du keinen kennen, das kann ich dir jetzt schon sagen. Da musst du schon zum Angriff übergehen!«
»Du hast gut reden. Wenn mich eben keiner anspricht?! Und selbst wenn, als Erstes werde ich klären, ob er liiert ist oder nicht. Noch ein Verheirateter kommt mir nicht ins Haus!«
Die alte Dame schnalzte mit der Zunge und verzog missbilligend die Augenbrauen. Tanja sagte: »Bei dir piept's wohl! Das schreckt doch jeden ab: Sind Sie liiert?! «, äffte sie. »Da kriegen die Typen doch einen Schock.«
Sabina hob hilflos die Hände. »Wieso, das ist doch ’ne ganz normale Frage! Ich will keine Probleme, ich will einen Mann, der einen Neuanfang machen und eine Familie gründen will.«
Tanja gackerte. »Glaub mir, die eine Familie gründen wollen, die sind alle unter. Meinst du, von denen läuft noch einer frei rum? Die geben alle an, dass sie Kindern nicht abgeneigt sind, aber wenn's dann drum geht, dann brauchen sie noch ein bisschen Zeit.«
»Wenn das deine Einstellung ist, dann kann ich mir die Suche sparen!«
»Ich will nur deine Erwartungen runterschrauben! Geh das mal ein bisschen lockerer an. Sag dir, okay, ich treffe mich erst mal mit ein paar, damit ich ein bisschen Routine kriege …«
Sabina ließ die Schultern sinken. Auf gar keinen Fall wollte sie mit Typen zusammensitzen, bei denen von vornherein klar war, dass sie nicht in Frage kamen. Sie würde sterben, wenn die Unterhaltung nicht in Gang kam, wenn ihr Gegenüber nur Schwachsinn erzählte oder – noch besser –: gar nichts. Ein Alptraum.
Am Abend fand sie Olga mit Ekaterina am Boden vor ihrer Wohnungstür vor. Olga erhob sich erstaunlich schnell für ihre Körperfülle und rief: »Gott sei's Dank, Sabina, du bists da! Habs schon dreimal angerufen bei der Hausmeister, aber will er nicht kommen früher von Kegelabend. Habe ich Schlissel in Wohnung gelassen! Kannst du die Ekaterina geben eine Schluck Wasser, hat die Durst. Und ich muss gehen auf die Toilette! Platze ich fast!«
Sabina schloss schnell ihre Wohnungstür auf und wies Olga die Tür zur Toilette, die eilig hineinlief und die Tür hinter sich schloss. Ekaterina nahm sie mit in die Küche und reichte ihr einen Schluck Wasser.
»Hast du auch Cola?«, fragte das neunjährige Mädchen verstohlen.
»Nein, Cola hab ich nicht, leider. Ich hab nur Wasser da.«
Ekaterina trank in hastigen Schlucken und sagte dann: »Natasha trinkt auch immer Wasser, wegen der Figur.«
Sabina nickte: »Na, das scheint sich doch zu lohnen, sie hat eine super Figur, deine Schwester.« Sogleich biss sie sich auf die Lippen. Ekaterina blickte betreten zu Boden, und Sabina schluckte. »Du«, wollte sie gerade ansetzen, als Olga die Küche betrat. Sabina betrachtete sie verwundert. »Was ist denn mit deiner Nase passiert?«, fragte sie. Olgas Nase sah aus, als hätte sie sie in eine Packung Mehl eingetaucht.
»Wieso?« Olga rieb sich die Nase.
»Hast du dir meinen Puder draufgetan?«
»Nur kleine bisschen!«, rief Olga und wischte an ihrer Nase herum.
Sabina lachte. »Das Licht in meinem Bad ist zu schlecht, um sich anständig zu schminken. Ich gehe jeden Morgen an mein Küchenfenster und schau nach, ob ich nicht aussehe wie eine russische …« Sabina stockte der Atem. Putzfrau hatte ihr auf der Zunge gelegen.
»Ja?«, fragte Olga interessiert. »Eine russische was?«
»Eine Trapezkünstlerin!«, rief Sabina. »Du weißt schon: hellblauer Lidschatten bis unter die Augenbrauen, rote Bäckchen, knallroter Lippenstift und so!«
Olga betrachte sie staunend. »Hast du schon mal gesehen richtige russische Trapezkinstlerin? Warst schon in Maskwa oder Jaroslavl?«
Wo auch immer das war! »Nein! Manchmal gastiert der Spiegelpalast in Frankfurt. Das ist so
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