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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Zum Beispiel an der Stelle, an der es um den Etat für die nächste Frühjahrskollektion für Ihren Bereich ging. Sie werden mit den Lieferanten verhandeln müssen.«
    Sie seufzte. »Herr Matthei, die Chinesen sind momentan in einer guten Verhandlungsposition, die können sich vor Aufträgen nicht retten. Und die Konditionen sind gut – ich weiß nicht, wo ich da noch drücken soll.«
    »Wo Sie da noch drücken sollen, das überlasse ich Ihnen.«
    »Man wird es an der Qualität merken«, antwortete sie – was tatsächlich stimmte.
    Matthei wandte sich zum Gehen. »Ich wünsche mir etwas mehr Anteilnahme und Esprit, Frau Forbes. Genau deswegen hatte ich Sie seinerzeit eingestellt, wegen Ihrer Kontakte nach China und wegen Ihrer spritzigen Art. Die lässt in letzter Zeit allerdings etwas zu wünschen übrig, wenn ich das so sagen darf.«
    Sabina atmete tief durch und sah ihm hinterher. Alles in ihrem Leben ließ zurzeit zu wünschen übrig, kein Zweifel. Obwohl sich der Begriff »zurzeit« durchaus auf die letzten drei Jahre ausdehnen ließ. Ungehalten zog sie alle Schubladen ihres Schreibtisches auf und holte heraus, was sich dort über die Jahre angesammelt hatte. Einige vergessene steinharte Gummibärchen lagen darin, ein Notfall-Tampon, unzählige Visitenkarten von Lieferanten, ein benutztes Taschentuch und ein Foto aus vergangenen Zeiten. Johannes, gerade mal neunzehn und sommersprossig, gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze; aufgenommen von ihrer Mutter, die Johannes zwar gemocht hatte, aber froh gewesen war, als er wieder ging. Da war sie sechzehn gewesen und hatte seinetwegen kaum einen klaren Gedanken fassen können. Hatte im Unterricht in der Highschool träumend aus dem Fenster geblickt, im Geist bei seinen weichen Lippen, die alle Stellen ihres Körpers liebkosten. Die ihr »Ich liebe dich so sehr, Sabina« ins Ohr geflüstert hatten und versprachen »Ich werde dich immer lieben. Mein Leben lang«. Minutenlang hatten sie einander ansehen können, während ihre Blicke verschmolzen. Sie legte das Foto wieder beiseite und schluckte die Tränen hinunter. Schaute aus dem Fenster auf den großen Parkplatz vor dem Gebäude, auf dem ihr Wagen geparkt war. Was sollte sie tun? Einfach kündigen? Etwas ganz Neues anfangen? Oder weitermachen im gleichen Trott? Sabina erhob sich, schob mit dem Unterarm allen Müll von der Schreibtischplatte in den Papierkorb und kontaktierte kurzentschlossen den Typ mit dem einnehmenden Lachen.

    Am Abend ging sie direkt nach dem Parken zu Tanjas Haarsalon; doch kurz bevor sie bei Tanja eintrat, überlegte sie es sich anders und überquerte die Straße zur Eisdiele.
    »Ein Eis, Luigi, heute brauche ich ein Eis!«, rief sie, als sie die Eisdiele betrat.
    »Wie immer?«, fragte er schmunzelnd.
    »Genau«, lächelte sie und sah ihm dabei zu, wie er mit seiner Kelle in jeden Eisbehälter hineinfuhr, ein kleines Stückchen Eis abkratzte und dann in den nächsten Eisbehälter langte. Regenbogeneis nannte er das, und er machte es nur für sie. So bekam sie von jeder Eissorte ein kleines bisschen zum Probieren – ein Luxus, den er nur Spezialgästen bot.
    »Was macht die Arbeit?«, erkundigte er sich beiläufig, als er ihr das Eis überreichte und einen Euro entgegennahm.
    Sabina stöhnte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Meine Arbeit macht mir keinen Spaß mehr. Mein Chef guckt mir dauernd auf die Finger, und je mehr er mir draufguckt, desto schlampiger arbeite ich. Ich vergesse ständig Sachen, die dringend zu erledigen sind, und selbst das ist mir egal. Ich brauche einen Wechsel, die Luft ist raus. Allerdings ist es nicht gerade so, dass Designer gesucht sind. Und die Unternehmen, bei denen es Stellen gibt, die kann ich nicht einfach so anrufen. Da muss ich mich richtig bewerben. Hast du eine Ahnung, wie das geht? Mich hat vor drei Jahren ein Headhunter vermittelt, dem sagte ich, ich will nach Frankfurt – hier suchten sie jemanden, der sich mit den Chinesen auskennt. Zack, war die Sache geritzt.«
    »Du bekommst bestimmt wieder eine andere schöne Stelle. Oder du machst ganz was anderes – arbeiten in meiner Eisdiele zum Beispiel«, zwinkerte Luigi.
    Natürlich meinte er das ernst. Sabina wusste, dass er ein Auge auf sie geworfen hatte, seit langem schon. Doch er war nicht ihr Typ. Super nett. Aber so … klein. Dass Italiener aber auch immer so furchtbar klein sein mussten! Außerdem stand sie auch nicht auf Typen mit Pferdeschwanz und Haaren auf der Brust. Zu Italienisch für

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