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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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auch die entsprechenden Informationen dazu. Hier geht’s eher ums
Gruseln.«
    Die Hotelbesitzerin ist bestürzt, als sie vom Tod ihres Gastes erfährt.
    »Abgestürzt? Das ist ja furchtbar! Und wer zahlt mir jetzt die Übernachtungskosten
von dem Herrn?«
    Sie führt sie zu Wladimirs Zimmer im ersten Stock.
    »Er hat ein einfaches Zimmer gehabt, ist früh aufgestanden. Um sieben
hat er meist gefrühstückt, und dann ist er los, auf den Berg rauf.«
    »Haben Sie sonst noch etwas über den ukrainischen Gast erfahren?«
    »Meinen Sie, wir fragen unsere Gäste aus? Nein, so neugierig sind
wir nicht. Wir haben Gäste aus aller Welt, viele Engländer und Amerikaner. Die
fragen wir auch nicht, warum sie grad zu uns kommen. Im Türken bekommen sie
keinen Cocktail am Swimmingpool, aber sie kommen trotzdem.«
    »Dann sind das keine alten Nazis, die in Ihr Hotel kommen?«, will
Weidinger wissen.
    »So ein Schmarrn!«, fährt ihn die Hotelbesitzerin an. »Unsere Gäste
sind Menschen, die sich für Geschichte interessieren. Das sind doch keine
Nazis. Im Jahr 2000 ist das letzte große Gebäude aus der Hitlerzeit hier am
Obersalzberg gesprengt und abgetragen worden. Das war das Hotel Platterhof, das
die Amerikaner nach dem Krieg wieder aufgebaut und restauriert haben. Aber die
Leut suchen trotzdem nach dem alten Zeug, auch wenn nichts mehr da ist. Und die
wissen sogar ganz genau, wo was gestanden hat damals, auch wenn keine
Hinweistafeln aufgestellt sind.«
    »Was hat denn der ukrainische Gast hier gemacht? Hat der auch nach
dem Berghof gesucht?«, fragt Leni.
    »Urlaub in den Bergen. Das hat er gesagt, und mehr weiß ich nicht.«
    »Hatte er Kontakt mit anderen Urlaubern?«
    »Nein. Er war, wenn er hier war, immer für sich. Und so, wie er als
Person … Na ja, wie soll ich sagen? Meine Mädchen haben sich ein bisschen
vor ihm gefürchtet und sind ihm aus dem Weg gegangen. Wenn eine sagt, ihr
gruselt’s vor einem Gast, dann bekommen alle Angst. Da können Sie nichts
machen.«
    »Was war denn das Unheimliche an ihm?«
    »Er … er hat so was Handgreifliches g’habt.«
    »Sie meinen, etwas Brutales, Gewalttätiges?«
    Die Hotelchefin nickt vage.
    Das Hotel zum Türken ist ein echter Anachronismus, denkt Weidinger.
Die Einrichtung stammt zum großen Teil noch aus der Nachkriegszeit. Hier Urlaub
zu machen ist so etwas wie eine Zeitreise. Aber wer will schon in jene Zeit
zurück?
    »Ja, und wer zahlt denn jetzt für …«, fragt die Hotelbesitzerin
noch einmal.
    »Müssen S’ halt eine Rechnung an die Angehörigen stellen«, fertigt
Leni sie ab.
    »In Russland?«
    »In der Ukraine.« Leni will die Zimmertür schließen, aber die Hotelbesitzerin
bleibt auf der Schwelle stehen.
    »Danke, Sie können uns jetzt hier allein lassen. Und zeigen Sie bitte
den Herren von der Spurensicherung, wo wir sind. Ach, und noch etwas.«
    »Ja?«
    »Hatte der Herr López hier Besuch? Hat er öfters telefoniert?«
    »Besuch hat er, soweit ich weiß, keinen g’habt. Vom Telefonieren
weiß ich nichts, die telefonieren ja heute alle mit ihren Handys, da kriegen
wir nichts mehr mit. Wir haben ja nicht nur einen Gast, nicht wahr?«
    »Das war’s schon, danke.«
    Leni und Weidinger sehen sich im Zimmer um, während sie auf die
Spurensicherung warten. Ein leerer Koffer auf der Ablage neben der Tür. Wäsche,
ordentlich im Schrank gestapelt, eine Tüte mit Schmutzwäsche. Ein Vorrat an
Lebensmitteln für Bergtouren: Schwarzbrot, Salami, Nüsse, Müsliriegel, fetter
Speck, in Folie eingeschweißt, drei Flaschen Wodka. Topografische Karten der
Gebirgsstöcke des Nationalparks. Die ganz normale Ausstattung eines
Hotelgastes, eines Bergwanderers, eines Urlaubers. Leni zieht eine Schrankschublade
auf und findet ein Notebook. Sie öffnet es und schaltet es ein. Der
Windows-Rechner fährt hoch und verlangt eine Passworteingabe. Weidinger steht
hinter ihr. »Da müssen wohl unsere Techniker ran.«
    »Ihre oder unsere?«
    »Meine, wenn Sie nichts dagegen haben. Wir haben sehr gute Leute im LKA .«
    Wir in Traunstein auch, denkt Leni.
    In der Nachttischschublade entdeckt Weidinger ein iPhone.
    »Wieso hat er das denn nicht am Berg dabeigehabt? Gibt es dort
keinen Empfang?«
    »Doch, am Göll oben schon, meine ich.«
    »Dann hat er es entweder vergessen, oder er wollte Störungen auf
seiner Tour vermeiden.«
    »Oder er wollte ganz sichergehen, dass ihn kein Klingel- oder Alarmgeräusch
verrät. So viel Umsicht spricht dafür, dass wir es mit einem Profi zu

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