Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
Vom Netzwerk:
mit dieser Nummer kommen Sie durch? Draußen
landet gerade ein Hubschrauber mit einer Spezialeinheit. Geben Sie auf, von
Reichenberg, Sie haben keine Chance.«
    »Sagen Sie Ihrem Spezialteam, es soll einpacken. Denn wenn es das
nicht macht, fliegt der Geisel die Kalotte vom Schädel.«
    Schritt für Schritt bewegt von Reichenberg sich rückwärts, die
Pistole am Kopf der Geisel. Leni steht da und kann nichts tun. Wo bleiben verdammt
noch mal die anderen? Wo bleibt Meik? Sie tastet ihren Gürtel ab. Das Funkgerät
ist weg. Sie muss es irgendwo unterwegs verloren haben.
    »Ich werde mich darum kümmern, dass das Team im Hubschrauber
bleibt«, sagt sie schließlich. »Sie nehmen die Waffe weg, und ich sorge dafür,
dass niemand in den Stollen kommt.«
    »So einen Bullshit kann sich auch nur eine Frau ausdenken. Ich werde
so blöd sein und die Knarre wegpacken. Die Wumme bleibt, wo sie ist, und wenn
ihr nicht spurt, dann fliegt Charlys Toupet an die Stollendecke.«
    Es heißt Himmel, denkt Leni. Im Bergwerk gibt es keine Decke.
    »Okay, dann behalten Sie die Waffe, aber lassen Sie den Mann frei.
Nehmen Sie mich als Geisel.«
    »Verarschen kann ich mich selbst. Also verzieh dich.«
    Von Reichenberg geht mit seiner Geisel rückwärts weiter in den Berg
hinein. An einer ungesicherten Galerie, an der es etwa zehn Meter nach unten in
ein anderes Stollensystem geht, stolpert er. Fast wäre er ausgerutscht und
abgestürzt, aber er fängt sich.
    Doch die Situation hat sich verändert. Markstrom spürt, dass das
seine Chance ist zu entkommen. Er windet sich aus der Umklammerung des
strauchelnden von Reichenberg. Auf dem losen Gestein rutscht er jedoch aus und
gerät ins Schlittern. Er fällt hin, gleitet über die Galerie, seine Hand
klammert sich an ein paar Steine, findet aber keinen Halt.
    Kurz bevor er in die Tiefe stürzt, packt von Reichenberg seine Hand
mit festem Griff, dann auch die zweite Hand, die Markstrom ihm flehend
entgegenstreckt, und zieht ihn hoch.
    Als Markstrom festen Boden unter den Füßen spürt, gewinnt er auch
seinen Mut zurück. Nicht zu früh Mitleid zeigen. Niemals denken, der Gegner
wäre besiegt, bevor der letzte Punkt gespielt ist. Markstrom stürzt sich auf
seinen Retter und rammt ihm den Kopf in den Bauch. Er schiebt von Reichenberg
Richtung Abgrund, gibt ihm einen Stoß, von Reichenberg verliert den Halt und
fällt.
    Er dreht sich um, für einen Augenblick verdrängt das Licht den
Schatten auf seinem Gesicht, und Leni, die die Szene gebannt und ohne
Möglichkeit, noch einzugreifen, verfolgt, sieht ein Grinsen auf dem Gesicht der
befreiten Geisel, wie sie es von alten Schwarzweißfotos kennt. Es ist das
Grinsen des Großwildjägers, der einem erlegten Löwen das Maul öffnet, um dessen
Raubtiergebiss als Trophäe vorzuführen. Wie schön wäre es, denkt Leni beim
Ansehen solcher Bilder immer, wenn der Löwe noch einmal zubeißen könnte. Die
Geisel ist gerettet, und ihre Mordlust wird am Ende schwer zu beweisen sein.
    Von Reichenberg fällt. Und wundert sich, dass er tatsächlich sein
Leben an sich vorüberziehen sieht. Dass es ihm haargenau so geht wie den
Todgeweihten in den Hollywoodfilmen.
    Im Schnelldurchlauf sieht er sich als kleinen Jungen beim Spielen im
Schlosspark. Das Kindermädchen, das der Vater vom Schloss jagte, weil es mit
ihm Mitleid hatte und deshalb dem Vater widersprach. Er erinnert sich an ihren
Duft, wenn sie ihn an sich drückte. Dann war sie weg. Die Nächste, die kam,
machte alles genau so, wie der Vater es wollte. Alles.
    Er sieht die Schneide des Degens blitzen, die bei der Mensur eine
Hälfte seines Gesichts in zwei Teile schnitt. Wie ein Peitschenhieb fühlte es
sich an, als die Klinge ihn traf. Er sieht sich fallen und erst in der Klinik
erwachen, mit dem verbundenen Gesicht. Bahn um Bahn wickelt er die weiße Binde
ab und rollt sie in der Hand wieder auf. Dann sieht er sie, die Narbe, die ihn
von nun an für immer begleiten wird.
    Zu kurz ist die Zeit, zu schnell rast der Film vor seinen Augen, und
schon spürt er, wie es ihn schmerzte, als er Mandy zum ersten Mal traf. Sie war
schön, so weiß ihre Haut. Doch er wollte nichts Schönes mehr, und es gelang
ihm, sie ihrer Schönheit zu berauben.
    Er sieht noch einmal, wie es war, als er sich durch die klare Luft,
die durchsichtiger war als Glas, auf die Berge zubewegte. Durch die große
Windschutzscheibe seines Wagens, auf der Autobahn. Immer näher kamen die Berge,
und trotz der gleißenden Sonne waren die Berggipfel

Weitere Kostenlose Bücher