Hirschgulasch
dir.«
»Ach so, und ich dachte schon, du schmuggelst Drogen, Falschgeld
oder Tiere, die unter Artenschutz stehen. Aber du läufst zum ehemaligen
Klassenfeind über, sieh an. Was verdienst du denn da drüben so als
Hubschrauberpilot?«
»Tausendachthundert Euro für den Anfang. Später bekomme ich dann
mehr.«
»Also, alter Junge, entweder sie haben dich beschissen, oder du lügst
mich an.«
»Hey, bist du immer noch beim KGB ,
oder wie heißt das jetzt?«
»Du musst mich doch nicht anlügen. Wiktor, ich bin es, dein Freund
Boris. Wir sind schließlich gemeinsam durch dick und dünn gegangen.«
»Meine Erinnerung sagt mir, dass von dir, als ich durch dick und
dünn gegangen bin, nichts mehr zu sehen war, Borjuscha.«
»Ja, aber das hatte nichts mit dir zu tun. Ich wollte nur nicht meinen
Arsch für diese Drecksbande hinhalten, und das hab ich dir auch gesagt. Also
wirf mir nicht vor, dass du unbedingt den Helden spielen musstest.«
Boris ist ganz Entrüstung. Er fährt sich über seinen Bauch, der sich
unter dem Hemd wölbt.
»Okay, ich muss wieder nach vorne, unseren Flieger fliegen. Heute
hab ich keine Zeit, aber ruf mich mal an, und wir machen was aus, in einer
Kneipe in Frankfurt oder Kiew, ist ja gleich. Du deutscher Pilot du, hier hast
du meine Karte.«
Kaum ist Boris weg, setzt sich Marjana zu Wiktor. »Was wollte der
denn von dir?«
»Ist ein alter Kumpel von mir. Hast ja gesehen, was wir für einen
Spaß miteinander hatten. Der Herr Pilot der Ukraine International Airlines ist
außerdem verdeckter Ermittler, und was er mir gesagt hat, ist nicht lustig.«
»Verdeckter Ermittler?«
»Da staunst du, was? Piloten sind gut ausgebildete Leute. Und wir
haben noch ein paar andere Dinge als Flugzeuge oder Hubschrauber fliegen
gelernt bei den Russen, das kannst du mir glauben.«
»Und was hat er dir gesagt, was du jetzt gar nicht lustig findest?«
»Dass Luba versucht, uns auszutricksen.«
»Was?«
»Sie hat Kontakt zu Leuten in Deutschland aufgenommen und ihnen von
der Karte erzählt. Er hat gesagt, das wären Profis und nicht gerade zimperlich.
Wir sollten auf Luba aufpassen, damit sie uns nicht bescheißt. Am besten ist
es, wir kassieren die Karte oder machen uns zumindest eine Kopie davon.«
»Und warum soll ich dir das alles glauben, kannst du mir das verraten?«
»Weil es die Wahrheit ist. Warum denkst du, habe ich mit Boris so
lange gesprochen?«
»Keine Ahnung, ist mir auch egal. Nur damit du dir keine Illusionen
machst: Ich traue dir nicht über den Weg, und dass Luba uns betrügen will, ist
einfach gelogen.«
»Mein Gott, bist du naiv. Was weißt du denn schon von Luba? Sieh sie
dir doch an, wie sie mit dem Deutschen herumschäkert, nur weil der eine goldene
Armbanduhr trägt. Wo, meinst du, hat Luba eigentlich das Geld für ihr Motorrad
her? Mit ihrer Arbeit in der Fabrik verdient? Das glaubst du? Die hat es doch
faustdick hinter den Ohren, und du bist ihr auf den Leim gegangen. Ich glaube,
die geht über Leichen. Und wenn es ihr in den Sinn kommt, dann lässt sie dich
schon bei der Grenzkontrolle hochgehen, so eine ist das.«
Marjana starrt ihn fassungslos an. »So einen Schwachsinn hab ich ja
noch nie gehört. Ich glaube, du leidest unter Verfolgungswahn. Habt ihr das
auch gelernt, damals, bei den Russen? Das kann ja lustig werden mit uns
dreien!«
Frankfurt am Main, 14. Mai 2010
Die Sonne scheint, als die Maschine landet, und der Pilot informiert
die Passagiere, dass es in Frankfurt zweiundzwanzig Grad warm ist. Beim
Verlassen der Maschine holt Boris Wiktor noch einmal zu sich.
»Pass auf. Ich sage jetzt nicht, dass ich irgendetwas weiß, aber wenn
du für einen gewissen Jurij arbeiten solltest, dann versuch nicht, irgendwelche
Spiele mit ihm zu spielen. Ich würde nämlich nur ungern auf deine Beerdigung
gehen, jetzt wo ich dich nach so vielen Jahren endlich wiedergetroffen habe.
Ist das klar?«
»Hey, wer ist denn dieser Jurij? Ich weiß nicht, wovon du sprichst,
Boris.«
»Dann ist es ja gut. Und denk dran, ruf mich an, dann machen wir uns
einen schönen Abend, ich bring auch ein paar von unseren netten Stewardessen
mit. Du darfst dir dann aussuchen, ob blond und vollbusig oder feurig mit
dunklen Augen.«
»Okay, ich geb dir dann rechtzeitig Bescheid.«
Luba geht als Erste durch den Zoll. Sie spaziert einfach unbehelligt
durch. Marjana halten sie auf. Sie wollen, dass sie ihren Koffer öffnet. Sie
erzählt der Zollbeamtin von ihrer Einladung, den ukrainischen
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