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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Entweder gab es zu wenig Beton,
die Zeit war zu knapp, oder die Konstrukteure hielten es nicht für nötig, die
kilometerlangen Stollen mit einem Betonkleid auszustatten.
    Roher Fels, in den der Schacht getrieben wurde, doch auch der helle
Schein des entflammten Ölpapiers beleuchtet nur wenige Meter, dahinter ist
alles schwarz. Das elektrische Licht ist von außen abgeschaltet worden, dann
kam die Sprengung. Es gibt kein Entrinnen, dachte der Kommandant, der Alexej
den Gewehrkolben ins Gesicht schlug, als er sich wehrte und sich nicht zu den
anderen in die Reihe stellte, die wahrscheinlich längst erschossen in einem
Graben liegen, der nun zugeschüttet wird. Alexej weiß, dass es eine Chance
gibt, aus dem Stollen zu entkommen. Der Kommandant weiß es nicht. Er hatte den
Auftrag, keinen entkommen zu lassen, der von der Existenz dieses Bunkers und
damit zu viel wusste, um am Leben zu bleiben.
    Hunderte andere Arbeiter schufteten hier, aus der Tschechei, aus
Italien, Polen und einige mit derselben Binde am Arm wie er. Zwei weiße
Vierecke und das Wort OST in Großbuchstaben, auf blauem
Grund, diese Kennzeichnung war schuld, dass er noch mehr Sklave war als die
Männer, die nicht aus dem Sowjetgebiet kamen.
    Diese verfluchte Binde! Schlechteres Essen, schlechtere Arbeit, mehr
Prügel, das war es, was ihm dieses Zeichen einbrachte. »Untermensch« nannten
die Nazis ihn, und die Binde war das Zeichen dafür. Obwohl sie versuchten,
Zwietracht zwischen den Arbeitern zu säen, unterhielten sie sich oft heimlich
miteinander. Alle waren der Meinung, dass sie nicht mehr lange durchhalten
mussten, bald würde sie vorbei sein, die Sklaverei. Besonders seit dem 25. April,
als der Himmel über Berchtesgaden schwarz wurde von den Bombern der Alliierten.
Der halbe Berg schien zu explodieren, sogar Hitlers Haus sollte nur noch Schutt
und Asche sein, hieß es.
    Aber hier oben wurde nichts leichter, noch härter sollten sie
arbeiten für das »Göring-Projekt«, immer wieder schnappte er diesen Begriff
auf, er schrieb ihn einmal sogar in seiner Schrift in den Sand: »Геринг проект«. Schnell
verwischte er die Worte, über sich selbst erschrocken, mit den Füßen wieder.
    Ein paar hundert Meter unterhalb des Kehlsteinhauses, etwas nördlich,
an einer Stichstraße, die von der Zufahrtstraße wegführt, liegt der Eingang zum
Tunnel. Am Seiteneingang ein Schild: »1650 m ü. M.« Und selbst als
hier der Schnee noch meterhoch lag, mussten sie schon wertvolle Güter, die aus
ganz Europa zu kommen schienen, geheimnisvolle Maschinen, Gold- und
Silberbarren, Devisen und Wertpapiere einlagern.
    Jeden Tag kamen Güterzüge am Berchtesgadener Bahnhof an. Fuhren ein
in den großen Tunnel, wo sie unbeobachtet auf Lkws entladen wurden. Auch er
musste dafür einige Male ins Tal. Die ganze Nacht hindurch kamen die Lkws auf
der Zufahrtstraße hinauf zum Kehlstein, und kurz bevor sie den Wendeplatz
erreichten, bogen sie in die Stichstraße zum Stollen ein. Tausendfünfhundert Meter
fuhren sie mit den Lkws in Stollen A hinein. Einer unergründlichen Ordnung
folgend oder vielleicht doch nur willkürlich hielt der Lkw plötzlich an und
musste entladen werden, bevor er leer durch Stollen B wieder das Tunnelsystem
verließ.
    Manchmal ging eine Kiste beim Entladen zu Bruch, und Alexej oder ein
anderer Arbeiter konnte sehen, was sie da zu verstecken halfen. Einmal zerbrach
eine Kiste mit Hunderten von orthodoxen Monstranzen. Der Kapo schrie, schlug
zu, und sie räumten die Monstranzen in Ersatzkisten in das überdimensionale
Lager. Nicht oft, gemessen an der Zahl der Kisten, die sie in den Regalen verstauten,
zerbrach eine Kiste, aber zumindest eine jeden Tag. Im Lager unterhielten sich
die Arbeiter darüber, und es war allen klar, dass hier der größte Schatz auf
Erden verscharrt wurde. Tonnenweise Goldzähne, ausgebrochen aus den
Totenschädeln der erschossenen oder vergasten Juden, Kommunisten, Ukrainer,
Russen, Rebellen und wen sonst die sogenannten »Herrenmenschen« umbrachten. Es
wurde getuschelt und gemutmaßt, einige hatten es sogar selbst gesehen, aber
jeder hoffte, dass die Nazis hier, wo ihre Familien wohnten, es nicht wagen würden,
zu wüten wie im Osten.
    Hunderte Kisten Gold aus den Nationalbanken der überfallenen Staaten
oder den geplünderten Gold- und Silberscheidefirmen. Manchmal stand etwas auf
den Kisten, das einen Hinweis auf den Inhalt und dessen Ursprung gab. Tausende
Kisten Silber, Kunstschätze fein säuberlich

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