Hirschkuss
es eben krachen.«
»Dann lässt man es also krachen!« Kastner war jetzt richtig böse. »Und wie lässt man es krachen, als so ein gegelter Lackaff, wie Sie einer sind, ha? Wie muss ich mir das vorstellen?«
»Na, dazu wird Ihre Hinterwäldlerphantasie ja wohl gerade noch ausreichen«, erwiderte der Mann ruhig, als bestellte er eine Portion Pommes frites.
»Nein, das tut sie nicht, du arroganter Schnösel«, fuhr Kastner ihn an.
Anne zog die Augenbrauen hoch, hielt sich aber zurück.
»Jetzt erklär einmal einem Mann vom Land, wie ich einer bin, wie ihr feinen Pinkel es krachen lasst’s, wenn ihr es einmal krachen lasst’s!« Vor lauter Wut hatte Kastners Gesicht mittlerweile eine dunkelrote Farbe angenommen.
Reitzle wirkte nun nicht mehr so selbstsicher. Die bäuerlich direkte Art des Polizisten brachte ihn aus dem Konzept. »Sie müssen das verstehen: Man dealt mit Millionen. Man ist ständig unter Adrenalin. Da braucht man ein Ventil, wenn man diesen Job hier macht. Wenn man einen guten Deal gemacht hat, dann trinkt man zusammen Champagner und zieht um die Häuser. Bei so einer Gelegenheit sind Hanna und ich im selben Bett gelandet. Aber das war keine Liebe oder irgend so was.« Ganz leise, beinahe verschämt schob er hinterher: »Unter uns: Wir nennen diese Art der Beziehung auch …«, er zögerte einen Moment, »… After-Hour-Schampus-Fick.«
Ehe Kastner etwas sagen konnte, fragte Anne schnell: »Und warum trägt Hanna dann ein Foto von Ihnen beiden mit sich im Geldbeutel herum – wenn das nur so ein … After-Hour … Dings war?«
»Das war keine Liebe, glauben Sie mir«, beteuerte der Banker.
»Und Sie haben nicht nur einmal mit ihr geschlafen, sondern gleich dreimal!«, hielt Kastner ihm jetzt vor. »Da müssen ja schon ein paar nüchterne Stunden dazwischen gewesen sein – also ohne Schampus und so!«
»Ja, mein Gott, so war das eben!«
»Könnte es sein, dass Frau Nikopolidou sich von Ihrer Beziehung mehr erwartet hat als Sie?«
»Das weiß doch ich nicht!« Reitzle wirkte genervt. Wenn er hier schauspielerte, dann tat er es zweifellos gut. »Ich war jedenfalls zu keinem Augenblick verliebt. Und ich dachte auch, dass Hanna das klar ist. Dass sie das Foto im Geldbeutel hat, ist natürlich schon komisch … Das erzeugt schon den Eindruck, als habe sie hier auch ein gefühlsmäßiges Investment gesehen …«
»Pff, gefühlsmäßiges Investment!« Kastner lachte verächtlich auf. »Wie ging die Sache zu Ende?«, fragte er dann streng.
»Drei Tage nachdem wir das letzte Mal miteinander geschlafen hatten, haben wir vereinbart, dass wir das ab jetzt sein lassen.«
»Wie? Vereinbart?«, bellte Kastner. »Haben Sie einen Vertrag unterschrieben, oder was?«
»Nein, wir haben halt besprochen, dass wir das jetzt lassen. Das war aber schon letztes Jahr …«
»So, bei einem Espresso im Stehen habt’s ihr dann also einfach gesagt, du, wir haben jetzt dreimal gebumst, jetzt bumsen wir nicht mehr, oder was? Weil das Investment unrentabel ist, also gefühlsmäßig«, ereiferte sich Kastner.
»Seppi!«, ermahnte Anne den Kollegen.
»Ist doch wahr! So ein Gesindel! After-Hour-Schampus-Fick! Die Frau hat Sie geliebt, Herr Reitzle! Und Sie haben sie sitzen gelassen. Das ist doch der Punkt! Sie wissen doch gar nicht, was es heißt, jemanden zu lieben!« Kastner schnappte nach Luft. »Die Frau Nikopolidou hatte ehrliche Gefühle für Sie, und Sie – Sie haben sie verletzt. Und jetzt ist sie vielleicht tot!«
Anne musste innerlich lächeln. Sepp war manchmal schon zauberhaft naiv. Als würde verschmähte Liebe eine jede Frau ganz selbstverständlich in den Selbstmord treiben.
»Ich glaube nicht, dass Hanna in mich verliebt war«, sagte Christian Reitzle leise. »Aber ausschließen kann man es natürlich nicht.«
Wenig später saßen Anne und Kastner im Auto.
»Kaufst du dem Reitzle das alles ab?« Kastner sah Anne, die hinter dem Lenkrad saß, von der Seite an. »Dass das alles letztes Jahr abgeschlossen war? Dass die wirklich nichts mehr von ihm wollte? Die war doch hochgradig verliebt in den! Wozu trägt die sonst das Foto mit sich im Geldbeutel herum?«
Anne seufzte: »Ach, Seppi, ich weiß es nicht. Ich finde diese Investmentbanker alle komisch. So viel Geld. So viel Verantwortung. So viel Arbeit … Das ist doch kein Leben!« Sie schwieg für einen Moment. »Aber was ganz anderes, Seppi: Was war denn das mit der Frau Kramermayer?«
»Was meinst du?«, fragte er.
»Na ja, du hast
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