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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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viel Bargeld besessen?«
    »Wieso fragen Sie?« Katja Engels klang überrascht. »Ganz normal viel, würde ich jetzt sagen.
    »Wie viel ist – in Ihren Kreisen – denn normal?«, wollte Kastner wissen.
    »Also – wollen Sie jetzt eine konkrete Zahl, oder was?«
    Der Polizist nickte.
    »Also, ich würde sagen …« Die Frau, deren Aussehen an ein leckeres rosafarbenes Bonbon erinnerte, dachte nach. »So dreitausend oder dreifünf? Ja, so was um den Dreh habe ich eigentlich immer zu Hause. Aber mehr eigentlich nie.«
    »Mehr eigentlich nie!«, schnaufte Kastner. »Das wenn der Kurt hörten tät!«
    Aber ehe er sich aufregen konnte, fragte Anne schnell: »Kennen Sie Hannas Familie?«
    »Gar nicht. Ich weiß nur, dass die das Melissos betreiben, das ist ein griechisches Restaurant in Schwabing. Aber ich war da noch nie, und Hanna hat auch praktisch nie über ihre Eltern gesprochen.«
    Wenig später saßen die beiden Ermittler wieder im Einsatzfahrzeug, und Anne fragte: »Schaffen wir den Besuch bei den Eltern noch, Seppi?«
    Ohne Zögern antwortete Kastner: »Komm, jetzt sind wir schon da, dann machen wir das auch noch. Ich hab keine Lust, morgen schon wieder in die Stadt zu fahren. Es ist so laut hier!«
    »Suchst du mal die Adresse raus?«
    »Hab sie schon.« Er gab die Zieladresse in das Navigationssystem des Einsatzfahrzeugs ein.
    »So richtig krank hat die jetzt nicht auf mich gewirkt, die Puppe«, meinte Anne, nachdem die roboterhafte Stimme des Navigationsgeräts die erste Anweisung gegeben hatte.
    »Gell, die schaut aus wie eine Puppe! Total künstlich! Das hab ich mir auch gedacht. Und ich mein auch, dass man nach vier Tagen Kotzen eigentlich anders ausschaut. Wobei, geschminkt war sie natürlich schon wie die Queen bei Madame Tussauds.«
    Das Restaurant Melissos war in einem ehemaligen bayerischen Wirtshaus untergebracht. Die gesprossten Fenster mit dunkelbraunen Rahmen waren hoch und oben gerundet. Auf dem Trottoir stand direkt an der Hauswand eine Reihe robuster Biergartentische und -stühle mit dem Aufdruck einer großen Münchner Brauerei. Die Mittagszeit war schon beinahe vorüber, und doch waren noch fast alle Plätze im Freien besetzt.
    Kastner ließ Anne den Vortritt durch die schwere, offen stehende Holztür. »Ich hab Hunger«, stellte er fest, während er genießerisch den Geruch von mediterranen Kräutern und gegrilltem Fleisch einsog.
    »Untersteh dich, nach was zum Essen zu fragen!«, zischte Anne ihrem Kollegen zu. »Wir sind hier, um mit denen über ihre verschwundene Tochter zu sprechen. Das ist nicht lustig!«
    »Ja, ja, ist ja gut, ich bin doch kein Depp!«
    Die beiden uniformierten Beamten kamen gar nicht bis zur Theke aus dunklem Holz, an der die Getränke für die Gäste eingeschenkt wurden. Ein untersetzter schwarzhaariger Mann mit sonnengegerbter Gesichtshaut eilte ihnen bereits entgegen. »Gruße Sie Gott, nehme Sie Platz.« Und ehe sie sich wehren konnten, saßen Anne und Kastner an einem der Tische im ansonsten leeren Gastraum vor mehreren kleinen Tellern köstlich duftender griechischer Spezialitäten – Zaziki, Taramas, Pitabrot, gedünstete Aubergine, Schafskäse, gefüllte Weinblätter, gebratene Tintenfische, frittierte Sardellen, mit Hackfleisch gefüllte Paprika, Gyros und Souvlaki. »Gute Arbeit geht nur mit satte Bauch. Esst, Polizisten, esst! Ihr musst mir bringen meine Tochter zurück!« Anne musterte den Mann aufmerksam. War er so fröhlich, weil er in das Verschwinden seiner Tochter verwickelt war?
    Kastner stürzte sich gierig auf die griechischen Spezialitäten, und auch Anne konnte angesichts des üppigen Angebots nicht widerstehen. Mit vollem Mund erklärte Kastner dem Vater von Hanna Nikopolidou, dass sie leider noch keine einzige Spur hatten.
    »Herr Nikopolidou, können Sie sich denn vorstellen, dass Ihre Tochter sich …« Anne zauderte ein wenig, diese unangenehme Frage zu stellen. »… dass Ihre Tochter sich das Leben genommen haben könnte?«
    »Nie, niemals, nie!«, rief Nikopolidou laut aus. »Hanna ist mein glucklichst’ Kind. Das ist ein Verbrechen oder ein schreckliches Unfall. Aber nie, nie, nie hat Hanna sich umgebracht, nie!« Er blickte auf, denn in diesem Moment kamen eine kleine dunkelhaarige Frau im Alter des Wirts und zwei Männer um die vierzig auf den Tisch zu. »Darf ich vorstellen, meine Frau, Efgenia, meine Söhne, Alexandros und Ioannis.«
    Die drei setzten sich, und die Ermittler tasteten sich vorsichtig fragend voran. Die

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