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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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dahinterstecken. Weil der ist ja jetzt praktisch arbeitslos.«
    »Was?«, fragte Anne völlig überrascht, denn daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
    »Na ja, bevor der Mattusek das selber übernommen hat, war da natürlich ein Förster zuständig. Genauer gesagt: der Gansl Eberhard.«
    »Ein rechter Zausel«, warf Kastner ein.
    »Was sagst?«, fuhr ihn Nonnenmacher an.
    »Dass der Gansl ein rechter Zausel ist«, erklärte sich Annes jüngerer Kollege.
    »Was ist ein Zausel?« Anne blickte Kastner neugierig an.
    »Ein sturer Bock«, kam Nonnenmacher ihm zuvor. »Der Gansl ist ein sturer Bock. Ein Waldschrat, ein damischer. Der braucht sich gar nicht zum wundern, dass der Mattusek ihn hinausbefördert hat.«
    »Na, sollten wir uns diesen … Waldschrat dann vielleicht einmal genauer ansehen?« Obwohl die Tatsache, dass nun noch ein Mensch aus dem Tal verschwunden war, schlimm war, war Anne auch irgendwie froh, dass die Trägheit der vergangenen Tage endlich von Geschäftigkeit abgelöst wurde.
    Ehe sie zu dritt zu Eberhard Gansls Behausung fuhren, begaben sich die Ermittler aber noch einmal zum Bungalow des Verschollenen auf dem Ackerberg und stellten diesen von unten bis oben auf den Kopf. Im Gegensatz zum ersten Mal brachen sie nun die Eingangstür ganz offiziell auf. Doch ihre Suche blieb vergeblich. Im gesamten Anwesen war nichts zu finden, was auf den Verbleib des Holzhändlers und Finanzinvestors hingedeutet hätte.
    Vom Bundeskanzlerbau fuhren die drei Polizisten an der Westseite des Sees entlang, verließen das Gewässer, passierten den Ort Wildbad Kreuth, welcher aufgrund der jährlichen Treffen der einstigen Einheitspartei Bayerns deutschlandweit bekannt war, und erreichten nach weiterer, Anne unendlich lange erscheinender Fahrt schließlich die Trifthütte, in der der Altförster wohnte. Das kleine Holzhaus mit den grünen Fensterläden, in dessen Garten ein Maibaum stand, lag direkt an der Straße, die wenige Kilometer weiter den Achensee passierte und nach der Grenze zu Tirol österreichisch wurde.
    »Servus Eberhard«, grüßte Nonnenmacher den auf dem Bänkchen neben dem Haus sitzenden Mann, dessen verwittertes Gesicht von einem wilden Bart umrankt wurde.
    »Habe die Ehre, Kurt«, brummte der Förster. Anne dachte bei seinem Anblick unversehens an ein Wildschwein. »Was gibt’s? Was wollt’s?«
    Nonnenmacher ließ sich neben Gansl, der um die sechzig sein mochte, auf die Bank fallen.
    »Du bist doch jetzt arbeitslos«, begann Nonnenmacher derart ungelenk die Befragung, dass ihn der Alte sofort misstrauisch anblickte.
    »Und? In Griechenland sind Millionen arbeitslos.«
    »Ja, aber wir sind hier ja nicht in Griechenland, Herr Gansl!«, schaltete Anne sich in das Gespräch ein.
    Der Waldschrat deutete mit einem gelben Raucherfinger auf sie. »Ist die Prinzessin neu?«
    »Na, nicht direkt«, meinte Nonnenmacher. »Die Frau Loop verstärkt uns schon seit zwei, drei Jahren. Sie kommt aus dem Rheinland und ist sowohl sportlich als auch …«, er zögerte, »alleinerziehend.« Anne verdrehte die Augen.
    »Soso.« Der Altförster musterte sie kritisch und nestelte sich eine filterlose Zigarette aus einer der vielen Taschen seiner Jägerweste; es war eine tarnfarbene, wie man sie in Baumärkten für wenig Geld kaufen konnte.
    »Sag einmal, Eberhard, du bist doch dem Mattusek gewiss bös, weil der dir deine Arbeit weggenommen hat, oder?«
    Der Zausel hob die Schultern. »Schon.«
    »Ja, und?«, fragte Kastner hektisch, was ihm einen befremdeten Blick des Försters einbrachte.
    »Und wenn man auf jemanden bös ist«, schlussfolgerte Nonnenmacher scharfsinnig, »dann könnte man doch auf die Idee kommen …« Der Inspektionsleiter konnte seinen Satz nicht vollenden. Aus dem Wald hinter dem Haus war Geschrei zu hören. Als der Eberhard Gansl Annes erschrockenen Blick sah, meinte er: »Ja, ja, so hört sich das an, wenn zwei Böcke streiten. Das ist anders wie beim Menschen.«
    »… da könnt man auf die Idee kommen, sich zum rächen, Herr Gansl, oder?«, ergänzte Kastner linkisch die Frage seines Vorgesetzten.
    Erneut zuckte der Förster die Schultern. »Dazu bin ich zu alt. Und mit dem Düsseldorfer Muhackl, dem dreckigen, hätt’ ich eh nicht arbeiten können respektive wollen. Der soll schön allein seine krummen Dinger drehen. Ich mag damit nix zum tun haben.« Gansls wache Augen musterten Anne aufmerksam. »Der Uli, der Josef, der Steff und der Dings haben’s mir schon erzählt, was der so alles

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