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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Decke über die Schultern legen, doch Anne wand sich heraus: »Nö, danke, ich muss zum Dienst. Tschüss.«
    »Pfiati sagt man da!« Das kam vermutlich von Hannawald. Ganz sicher war Anne sich nicht, und sie hatte auch keine Lust, sich umzudrehen. Beleidigt joggte sie ihre Runde zu Ende. Diese Männer hatten keine Umgangsformen. Aber war ihnen zuzutrauen, dass sie eine Frau verschwinden ließen?
    Der restliche Montag brachte den Ermittlern keine Neuigkeiten. Auch privat fühlte Anne sich wie ein Flugzeug in der Warteschleife. Zwar hatte Johann sich am Abend telefonisch gemeldet, aber angeblich saß er noch in der Kanzlei, und so fühlte er sich für die Polizistin unendlich weit weg an.
    »Es tut mir leid, Anne, aber ich komme mir vor wie in einem riesigen Ozean aus Arbeit, und kaum strecke ich den Kopf aus dem Wasser, kommt eine neue Welle.«
    Anne hatte auf diese Aussage nichts Aufmunterndes zu erwidern gewusst. War es nicht so, dass man, wenn man verliebt war, alles dafür tat, um den anderen zu sehen? Immerhin hatte Johann noch erzählt, dass der Zustand seines Vaters sich stabilisiert habe. Anne hätte ihm am Ende des Gesprächs gerne gesagt, dass sie ihn liebte. Aber dann hatte sie sich nicht getraut. Es wäre zu früh gewesen. Außerdem stimmte das vielleicht gar nicht. War das Liebe, was sie fühlte?

Dienstag

    Auch der Dienstag verstrich routinemäßig. Im Nikopolidou-Fall gab es keine neuen Ansatzpunkte, und was die Studenten anging, rätselte man noch immer darüber, wie die beiden jungen Leute an das verseuchte Fleisch gekommen waren.

Mittwoch

    Am Mittwochmorgen hatte die Schläfrigkeit der Bergidylle Anne bereits wieder so fest im Griff, dass sogar Kastner sie irgendwann anfuhr: »Was gähnst eigentlich die ganze Zeit? Das ist ja furchtbar. Geh halt früher ins Bett!«
    »Das ist es ja«, erwiderte Anne, erneut gähnend, »ich schlafe seit zwei Tagen viel zu viel.«
    Dann schellte das Telefon, und an Kastners Körperhaltung – der Kollege hatte den Anruf entgegengenommen – erkannte Anne sofort, dass es mit der Müdigkeit gleich ein Ende haben würde. Nach dem Gespräch berichtete Kastner aufgeregt: »Das war der Nachtweih Steff. Der Mattusek ist verschwunden! Und zwar schon seit zwei Tagen! Ich sag es gleich dem Kurt.« Kastner eilte nach draußen, Anne folgte ihm nach einem kurzen Zögern.
    »Na, das reicht ja wohl nicht für eine amtliche Vermisstenmeldung«, brummte Nonnenmacher grantig, nachdem ihn der Kollege über die neueste Entwicklung unterrichtet hatte.
    »Aber er ist zu einem vereinbarten Termin um halb neun nicht erschienen. Und ans Handy geht er auch nicht. Und daheim ist er auch nicht.«
    »Was, daheim?«, grunzte Nonnenmacher. »In seinem Bonzenbungalow am Ackerberg, oder wo?«
    Unruhig lief Kastner im Raum umher. In der einen Hand hielt er ein Lineal, in der anderen einen Kugelschreiber, mit dem er nun nervös auf dem Lineal herumklopfte.
    »Jetzt hör einmal mit diesem Geklopfe auf, Sepp, mir sind hier nicht beim Spielmannszug.«
    »Furchtbar nervig ist das, Seppi, furchtbar!«, stimmte Anne dem Inspektionschef zu.
    Kastner stoppte sein Getrommel und meinte: »Es ist dem Mattusek zu heiß geworden. Der hat was mit dem Verschwinden von der Nikopolidou zum tun. Hundertprozentig! Da geb ich euch Brief und Siegel.«
    Die drei schwiegen. Ein Spatz knallte gegen die Scheibe, unten im Empfangsbereich rang ein Kollege mit einem aufgebrachten Bürger. »Ja, Herr Professor Trollwein, ich weiß, dass Sie schon lange hier wohnen, und ich weiß, dass Sie der Blaskapelle die neue Fahne gespendet haben, aber das hat nun mal nix damit zum tun, dass Sie auf dem Grundstück von Ihrem Nachbarn keine Bäume fällen dürfen, wenn der nicht da ist … Ja, auch wenn die Äste von dem Baum auf Ihre Rosen herunterfallen, können Sie das nicht tun … Nein, daran ändert sich auch nix, wenn Sie sich an den Kosten für das neue Feuerwehrauto beteiligen … Herr Professor, ich kann da nix machen! Äste absägen ist Sachbeschädigung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, was weiß ich … Und ich hab hier noch mehr Arbeit … Herr Professor, jetzt geben’S bitte Ruh! … Jetzt geben’S bittschön Ruh, sonst muss ich Sie einsperren!«
    Danach wurde es unten gespenstisch still, und Anne fragte nachdenklich: »Ist es möglich, dass die Holzfäller ihn vermisst melden und eigentlich selber hinter der Sache stecken?«
    »Möglich ist alles«, brummte Nonnenmacher. »Der Altförster könnt aber auch

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