Hirschkuss
plant: Pappeln im Hochwald! Warum pflanzt er nicht gleich eine Orchideenplantage auf der Bernauer Alm, der Depp! Oder einen Marihuanawald?«
Ohne auf die Ausführungen einzugehen, meinte Nonnenmacher freundlich: »Ja, aber was machst dann jetzt die ganze Zeit?«
»Ich komponier.« Mit dieser Antwort hatte keiner der drei Beamten gerechnet, und so sahen sie den alten Zausel erstaunt an.
»Und was komponierst du dann?« Nonnenmacher konnte es nicht glauben.
»Jeden Tag ein Liedel. Über den Düsseldorfer Muhackl hab ich auch eines geschrieben. Magst es hören?«
Nonnenmacher sah Anne und Kastner kurz fragend an und antwortete dann: »Ja, schon.«
Und ehe sichs die drei Polizisten versahen, war der Altförster, der eben noch wie gelähmt gewirkt hatte, aufgestanden, ins Haus gegangen und mit einer Knopfharmonika wieder herausgetreten. Schon stimmte er ein verwegenes Lied an, das jedem Wildererfilm zur Ehre gereicht hätte:
»Wia hoaßt der Hund,
der mir die Arbeit raubt?
Wo ist die Sau,
die mir den Wald abstaubt?
Wer ist der Depp,
der unser Wild verschreckt?
Es ist der Mörder,
er g’hört verreckt!
Wer treibt den Holzpreis
in die Höh?
Wer knallt die Madeln
dudeldijöh?
Wer ist ein Gierhals
und stellt sich dumm?
Es ist der Mörder,
er g’hört verreckt!
Wer lasst die Sitten
ganz verkommen?
Wer hat uns d’Freiheit
weggenommen?
Wer bringt auf Dauer
uns alle um?
Es ist der Mörder,
er g’hört verreckt!
Darum singen wir das Lied vom wilden Schütz,
denn singen is a Gaudi und zu vielem Nütz.
Der Mann mit der Waffe ist der letzte Held.
Es geht ihm um Ehre und nicht ums Geld.
Er tötet das Reh, wenn’s reif ist und gut.
Von hinten erschießen braucht keinen Mut.
Von hinten erschießen braucht keinen Mut.«
Als der Förster fertig gesungen hatte und die drei Polizisten klatschten, nahm Anne erstmals ein Lächeln auf seinen Lippen wahr.
»Soso«, meinte Nonnenmacher anerkennend, »solchene Lieder dichtest du jetzt also.«
»Ja«, antwortete Gansl nicht ohne Stolz, stellte die Knopfharmonika ins Gras vor dem Haus und ließ sich wieder neben Nonnenmacher auf der Bank nieder.
»Und haben diese Lieder auch etwas mit der Wirklichkeit zum tun?«, fragte Kastner linkisch in die Stille hinein, was ihm ein Stirnrunzeln des Försters einbrachte.
Weil Gansl eine Antwort schuldig blieb, hakte Anne nach: »Herrn Kastner würde es interessieren, ob Ihr in manchen Versen doch drastischer Liedtext eine Anbindung an die Realität hat.«
Unwirsch schüttelte Nonnenmacher den Kopf: »Was fragen’S da jetzt so einen komplizierten Kas, Frau Loop?« Er rutschte ein Stück auf der Bank vor, sodass er dem Altförster ins Gesicht sehen konnte, und sagte: »Eberhard, warum glaubst du, dass der Mattusek ein Mörder ist, der verrecken soll?«
»Das ist bloß ein Lied«, erwiderte der alte Zausel bockig.
»Ja, aber es ist auch ganz schön konkret«, übernahm Anne jetzt wieder. »Das mit dem Holzpreis und … mit dem Raub der Arbeit … Ich meine – Ihnen ist doch auch gerade die Arbeit geraubt worden.«
Nonnenmacher empfand Annes Art zu fragen und ihren Tonfall als absolut unpassend und schüttelte deshalb erneut den Kopf. »Kommen wir zur Sache, Eberhard: Weißt du, warum wir eigentlich da sind?«
»Ehrlich gesagt: Nein.« Gansls Blick war jetzt auf seine ausgelatschten, aber blank gewichsten Bergschuhe gerichtet, auf denen gerade ein Falter mit orangefarbenen Flügeln gelandet war. Mit dem gelben Zeigefinger seiner schwieligen linken Hand hob der Förster den Schmetterling vorsichtig hoch und zeigte ihn den Polizisten. Das Lächeln, das nun auf seinen Gesichtszügen lag, hatte etwas Liebevoll-Debiles.
»Mir sind aus einem ganz einfachen Grund da: Der Herr Mattusek ist verschwunden!«, platzte Kastner hervor. Jetzt war es raus.
»So, ist der verschwunden?« Der Förster sprach ruhig und ungerührt. Umso konzentrierter studierte er den Falter. »Da schau her: Ein ganz besonders schöner ist das. Ein Kleiner Fuchs. Das ist ein richtig edles Viech.«
»Und es könnt nicht sein, dass du etwas mit dem …«, Nonnenmacher räusperte sich verlegen, »… Verschwinden von dem Mattusek zum tun hast?«
»Nein, das könnt nicht sein«, meinte Gansl, noch immer den Schmetterling studierend. »Warum auch.«
Obwohl der Tonfall nicht dem einer Frage entsprochen hatte, ergriff Anne die Gelegenheit beim Schopfe und sagte: »Weil Sie ein Motiv hätten? Weil Sie wegen Herrn Mattusek arbeitslos sind? Weil Sie
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