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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Wildererwitze. Oh Gott, Entschuldigung!« Dann wandte sie sich mit der Frage »Darf ich Ihnen auch was bringen?« an Anne.
    »Ein Radler«, entgegnete die Polizistin mit emotionsloser Stimme. Als die Kellnerin weg war, sagte sie: »Also, die Dame hat das ja eben ganz gut auf den Punkt gebracht: Es geht hier um Wilderei.« Obwohl der Satz leise gesprochen worden war, schlug er ein wie ein gefällter Baum. Keiner der drei Forstarbeiter rührte sich. Das Radio dudelte in die Stille. Die Gespräche an den Nebentischen wurden mit gedämpfter Stimme weitergeführt. »Da kommt allmählich ganz schön was zusammen bei Ihnen …« Anne hob die rechte Hand und klappte, beginnend mit dem Daumen, der Reihe nach die Finger hoch: »Sie haben den Tod einer Frau verursacht, Sie haben die dazugehörige Leiche verschwinden lassen …«
    »Das war der Nachtweih, und der ist tot!«, entfuhr es Hannawald, der seinem Zungenschlag nach, genau wie seine Kameraden, eindeutig zu viel Alkohol erwischt hatte.
    Ohne auf die Trunkenheit des Mannes einzugehen, sagte Anne: »Das werden wir ja sehen. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich halte es durchaus für möglich, dass Sie das Ihrem Kollegen nur in die Schuhe schieben, weil er ohnehin nicht mehr dafür haftbar gemacht werden kann. – Und ganz abgesehen davon: Die Leiche haben Sie alle gemeinsam versteckt!« Annes Stimme war etwas lauter geworden. »Drittens, das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen, meine Herren: Sie sind der Wilderei überführt. Oder haben Sie auch nur die Andeutung einer schlüssigen Begründung, weshalb ausgerechnet Ihre Spuren auf den Wilderersäcken nachgewiesen wurden?«
    »Das könnte auch ein Trick sein, um uns zu belasten«, grunzte Soder, der – das realisierte Anne jetzt mit aller Deutlichkeit – knalldicht war.
    »Blödsinn!«, blaffte sie den Mann an, der sie selbst im Sitzen weit überragte. »Viertens glaube ich, dass Sie etwas mit dem Tod von Herrn Mattusek zu tun haben.«
    »Aber der ist doch an Milzbrand verreckt!«, lallte Zernet. »Was sollen mir da gemacht haben?«
    »Der wird halt ein Fleisch gefressen haben, das wo giftig war, der alte Stadtfrack, der!«, stimmte Soder juxend zu.
    »Sie wissen genau, dass es so nicht war«, hielt Anne ruhig dagegen. »Ich erwarte jetzt eine Antwort von Ihnen. Gestehen Sie, ehe es zu spät ist! Sie kommen in Teufels Küche mit dieser ganzen Lügerei!«
    »In Teufels Küche«, lachte nun auch Soder unflätig. »Mir sind gute Katholiken, uns passiert da gar nix. Unsere Weste ist rein wie ein Taufkleid.« Er beugte sich über den Tisch und legte seine Pranke auf Annes nackten Unterarm. »Ich sag dir eines, Frau Joop – wennst du uns nicht bald in Ruh lässt, dann wird’s für dich auch bald einmal …«, er dachte kurz nach, »… ich sag einmal: gefährlich.«
    Mit einem nachdrücklichen Nicken und einem lauten Rülpser schloss er das Gesagte ab, hob das vor ihm stehende Likörglas, sagte so laut, dass es im ganzen Raum gut zu hören war »Auffi, obi, rum ums Eck!« und schüttete den Trunk in den Hals, ohne mit dem Behältnis die Lippen zu berühren. Anne, die sich bislang absolut sicher gefühlt hatte, lief es eiskalt den Rücken hinunter. Hatte der Mann sie gerade bedroht?
    Kurz entschlossen griff die Polizistin in die Innentasche ihrer Jacke und ließ dabei die Waffe sehen, die sie in einem Holster trug. Sie holte ihr Handy hervor und sagte: »Jetzt reicht’s. Ich rufe die Kollegen. Meine Herren, Sie sind vorläufig festgenommen.«
    Auch wenn Anne in den folgenden Wochen noch oft darüber nachdachte, ob sie hätte ahnen können, was dann geschehen war, kam sie immer wieder zu dem Schluss, dass die dramatischen Ereignisse schlicht nicht vorhersehbar gewesen waren. Sicherlich hatte das Aufzählen der Straftaten, in welche die Holzfäller nach Annes Dafürhalten verwickelt waren, die Männer provoziert; und natürlich spielte die Wirkung des Alkohols, den sie offensichtlich in rauen Mengen zu sich genommen hatten, bei der Zuspitzung der Situation eine zentrale Rolle. Aber wie hätte Anne erahnen sollen, dass Josef Hannawald durchdrehen würde?
    Der Holzfäller hatte sich bislang kaum am Gespräch beteiligt. Doch dann sprang er unversehens auf, umrundete wankend, aber in gewaltiger Schnelligkeit den Tisch, langte unter Annes Jacke, zog die Pistole heraus, entsicherte sie, trat einen Schritt von Anne zurück, richtete die Waffe auf sie und schrie: »Hier wird jetzt nicht telefoniert! Legen Sie das

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