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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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überhaupt keine Lust. Warum war er überhaupt schon wieder hier? Hatte er nicht behauptet, er gehe für längere Zeit nach Thailand?
    »Frau Loop, kommet Se, mach mer Sektfrühstück mit Lachs, Streichwurscht und allem Pipapo! Ich bin heut noch ohne weibliche Begleitung. Das Buffet wartet auf uns! Des ischt ausdrücklich eine Einladung! Sie brauchet nix zum zahlen, isch doch Ehrensach’.«
    »Ich höre dich nicht, ich höre dich nicht, ich höre dich nicht«, flüsterte Anne und versuchte, trotz des Müllsacks in ihrer Rechten so schnell wie möglich davonzukommen.
    Bald hatte sie hundert Meter zwischen sich und das Hotel gebracht. Auf dem Weg durch den Ort kam sich die Polizeihauptmeisterin reichlich bescheuert vor. Und natürlich fiel ihrem Kollegen im Empfangsbereich der Inspektion auch ein toller Kommentar ein: »Ist das eine neue olympische Disziplin – Mülljogging?« Die Polizistin verzog das Gesicht, sagte aber nichts. Die konnten sie doch alle mal!
    Eine Viertelstunde später stand sie bei Nonnenmacher im Zimmer.
    »Was soll das?«, fragte dieser mit einem unwilligen Nicken in Richtung des stinkenden grünen Plastiksacks. Anne war einen Moment lang irritiert, weil sie sich kurz mit den Augen eines anderen gesehen hatte und ihr klar geworden war, wie lächerlich sie mit dem übel riechenden Sack aussah. Aber das durfte sie jetzt nicht aus der Fassung bringen.
    »Den habe ich im Wald gefunden«, erläuterte sie, um Sachlichkeit bemüht, und versuchte dabei, ihre Genervtheit seit der Begegnung mit Horst Achleitner nicht erkennen zu lassen.
    »Soso, einen Müllsack also!« Nonnenmacher löffelte etwas Reis aus der Plastikdose, die auf seinem Tisch stand. »Ein Müllsack aus dem Wald! Gut, gut! Dann ruf ich gleich einmal den Polizeipräsidenten an, oder doch lieber den Innenminister?«
    »Bei der Hütte der Holzfäller habe ich den gefunden«, fügte Anne an, denn der Chef schien offensichtlich nicht zu begreifen, worum es ihr ging.
    »Soso, bei der Hütte der Holzfäller. Das ist gut. Gut, gut.« Nonnenmacher sah gar nicht mehr auf.
    Wütend und in heftigerer Lautstärke sagte Anne: »Das ist genau so ein Müllsack wie die, in denen ich vorgestern Nacht das Geweih und das Gewehr gefunden habe! Darum geht es!«
    Nonnenmacher wartete einen Moment, rammte dann den Löffel in den Reisberg in seiner Brotzeitdose, als wolle er jemanden erstechen, und schrie schließlich: »Frau Loop, es reicht! Erst machen Sie eine Extratour im Wald, bei der Sie fast verrecken und ein halbes Dutzend Männer in Gefahr bringen, weil die wegen Ihnen bei Sauwetter nachts im Hochgebirge umeinandertappen müssen. Dann erscheinen Sie am nächsten Tag nicht zum Dienst, sondern fahren vorschriftswidrig und auf Staatskosten nach Düsseldorf, wegen nix und wieder nix.« Er schluckte und holte Luft. »Auf der Zugfahrt lassen Sie sich vor den Ohren Ihres Dienstvorgesetzten mit Sekt volllaufen und fressen obendrein ungesundes Zeug zu überteuerten Preisen. Und jetzt kommen Sie mit einem Müllsack daher! Frau Loop, mir sind hier nicht beim Wertstoffhof, das ist hier die Polizei des Freistaats Bayern!« Nonnenmacher schlug nach einer Fliege, die vor ihm auf dem Tisch saß. Als er aber bemerkte, dass er sie nicht erwischt hatte, schlug er noch einmal nach ihr, verfehlte sie jedoch wieder, holte erneut aus und erwischte dabei die Brotzeitdose, welche in der Folge scheppernd zu Boden fiel, natürlich mit der Reisseite nach unten.
    Sein gebrülltes »Kreizbirnbaumhollerstauden!« hörte Anne noch, aber da eilte sie bereits über den Flur. Als sie die Tür zu ihrem und Sepp Kastners Zimmer geöffnet hatte, hatte sich Nonnenmachers Schimpftirade schon in gebirgigere Höhen hinaufbegeben. Jetzt fluchte er »Kreizdeifi, Sacklzementsakrament!« und setzte mit »Leckstmiamarschscheißglumpverreckts!« noch eins drauf. Letzteres galt vermutlich der heruntergefallenen Reisdose.
    Als Anne das Zimmer betrat, erntete sie einen verständnislosen Blick ihres Kollegen Kastner. »Was ist denn jetzt schon wieder los? Warum flucht der Kurt so? Warum hast du einen Müllsack dabei? Und wie geht’s dir überhaupts?«
    »Der Reihe nach«, sagte Anne und setzte sich auf ihren Stuhl. »Es geht mir gut, aber ich bin saumüde, lasch und fertig.« Sie stellte den Sack ab. »Ich bin froh, dass morgen Freitag ist. Zweitens: Nonnenmacher flucht, weil ihm die Reisdose hinuntergefallen ist, als er gerade versuchte, eine Fliege zu lynchen. Drittens: Der Müllsack stand an der

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