Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Dudernixen sah Tyde mitten in der Nacht vom Burghof huschen. Sie hatte ein Bündel in der Hand, und es sah nicht so aus, als wolle sie gesehen werden. Immer wenn Magda die junge Frau sah, durchfuhr sie ein Schmerz, der einem Blitz glich. Tydes Bauch war ungleich dicker als ihrer. Bis man Magda die Schwangerschaft so weit ansah, würde eine Weile vergehen.
Hätte es Tyde mit ihrem Balg nicht gegeben, dann hätte Cornelius sie vielleicht erhört. Tyde war blass und dünn, ihr fehlte die Weiblichkeit, die einen Cornelius von Ascheburg an ihr, Magda, gefesselt hatte. Außerdem wirkte Tyde weiß Gott nicht so, als habe sie Spaß an der körperlichen Liebe. Das war bei Anneke anders, nur vor ihr hatte Magda sich nie fürchten müssen, denn sie nahm jeden aus dem Lager mit unter ihre Decke, wenn sie dafür frischen Käse oder einen Laib Brot bekam. Zwar konnte sie auch ihr nicht wirklich aufs Fell schauen, doch es war noch immer ein anderes Gefühl als bei Tyde, die Cornelius zwar betrog, aber die eben sein Weib war, zu dem er stehen musste.
Nun stahl sich dieses Weibchen also von der Burg und suchte Schutz bei der Hebamme, denn genau in diese Richtung lief sie. Warum genau Magda Hiske nicht leiden konnte, wusste sie selbst nicht, denn schon bevor diese ihr die Hilfe verweigert hatte, war dieses Gefühl da gewesen. Einmal hatte sie sich dabei ertappt, dass es Eifersucht war, denn sie hatte sich vorgestellt, wie Cornelius Hiske angesehen hätte und dass sie ihm, anmutig wie sie war, nicht gleichgültig gewesen wäre. Das war ein lächerlicher Gedanke, schließlich war Cornelius tot und konnte Hiske nicht mehr nachstellen. Und dann erst ihre Art – dieses Selbstbewusstsein, diese Klarheit. Hiske Aalken wirkte stets so, als mache sie nie einen Fehler. Sie war geradeaus und von ihrem Tun überzeugt, sonst hätte sie nie den Schneid gehabt, ihr, der angesehenen Badersfrau, die Hilfe zu verweigern. Magda hatte zwar mit Annekes Hilfe versucht, die Frucht in ihrem Leib zu töten, doch es hatte alles nichts gebracht. Cornelius‘ Samen saß fest, und seine Brut würde sie Zeit ihres Lebens an ihn erinnern.
Obwohl er sich zwei Jahre lang kaum mit ihr vergnügt hatte, wollte Melchior das jetzt verdammt oft. Sie wurde seinen Geruch und seine Nässe gar nicht mehr los. Magda hatte den Ekel ihm gegenüber nicht abgelegt, musste aber das alles über sich ergehen lassen. Im Lager hatte er seine Freude darüber verbreitet, dass er Vater wurde, und da er sie mehrmals täglich lautstark nahm, kamen andere Gerüchte nicht auf. Es würde ohnehin kaum einer wagen, einem Melchior Dudernixen zu widersprechen. Wenn sie wieder unter ihm lag, dachte sie oft, dass er es war, der von Ascheburg auf dem Gewissen hatte. Er hatte die ganze Zeit von ihrer Liebschaft gewusst, das merkte sie an der Art, wie er sie behandelte, und er war kein Mann, der sich ungestraft so etwas bieten ließ. Was er ihr antun wollte, wenn erst das Kind da war, wusste sie nicht. Sie schob die Angst davor weit weg. Für ihn hatte sich jetzt, nach dem Tode von Ascheburgs, jedenfalls alles zum Guten gewendet. Er würde der Lokator sein, sein Nebenbuhler war aus dem Weg geräumt. Bald würden sie auch bestimmt ein Haus haben und nicht mehr in diesem Wagen hausen müssen. Seiner Macht stand nichts mehr im Weg.
Magda blickte auf die Bettstatt, Melchior schnarchte. Sie holte sich ein großes Tuch heraus, das sie sich um die Schultern legte. Es konnte nicht schaden, wenn sie Tyde folgte und ihr auf die Finger sah. Da klebten zwei Hexen aneinander, die beide Schuld daran hatten, wie grausam sich ihr eigenes Schicksal gewandelt hatte. Ihre ganze Zukunft hätte ohne Tyde oder mit Hiskes Eingreifen besser ausgesehen. Sie würde beide schon drankriegen, den Irren suchten sie ja bereits, und auch er gehörte zu diesem Gesindel.
Hinrich Krechting stand im Garten seines Hauses und hatte den Blick auf die Sterne gerichtet, die heute Nacht besonders hell blinkten. Er war mit Wolters Vorgehen nicht einverstanden. Er hätte dem Einhalt gebieten sollen. Es war nicht richtig, einen Jungen zu opfern, damit Ruhe herrschte. Sie hatten den falschen Weg eingeschlagen und mussten umkehren, sich auf die wichtigen Dinge besinnen. Auch ohne Rothmann. Sein Brief war vage gewesen. Er hatte sie alle im Stich gelassen und verraten, Hinrich wollte nicht mehr hoffen, dass er im nächsten Sommer kommen würde. Krechting fühlte sich seiner Hoffnungen auf das Übelste beraubt. Es war, als habe man den Lebenssaft
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