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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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er, morgen bringe ich es in Ordnung. Er konnte weder die junge Hebamme noch den Knaben dem Pöbel oder der Gerichtsbarkeit ausliefern. Es war Unrecht, so etwas zu tun.
    Eigenartigerweise hatten sich in Hinrich, seit Rothmann einfach nicht erschienen war, leise Zweifel eingeschlichen, ob es richtig war, was sie taten. Es war viel Blut geflossen in den letzten Jahren, und immer häufiger dachte er, ob es vielleicht unnütz vergossen worden war. Es kam vor, dass ihm in seinen Träumen Fratzen erschienen, die vor seinem Gesicht tanzten und aus deren Augen rote Tränen tropften. Sie bewegten ihre Münder lautlos, und doch war ihnen die Anklage darauf anzusehen. Diese Gesichter vermehrten sich, aus ihren Hälsen tropfte Blut. Bald verschmolz alles zu einer undefinierbaren Masse, die sich über seinen Schlaf ergoss und ihn halb erstickt aufschrecken ließ. Er würde etwas in seinem Leben und Tun ändern müssen, wenn diese Träume versiegen sollten. Vielleicht konnte er sein Augenmerk doch verstärkt auf die Armenfürsorge und den Kirchenvorstand legen. Das würde ihn zur Ruhe bringen. Genau das war bestimmt Hebrichs Intention gewesen, als sie ihn mit diesen Ämtern betraut hatte.
    Hinrich lächelte. Er war auf dem richtigen Weg, und er würde die anderen davon überzeugen, dass es so war. Er streckte die Arme über den Kopf und sog die Luft tief in seine Lungen. »Genau so werde ich es machen!«, sagte er. »Genau so.« Dann wandte er den Kopf. Es war ihm, als habe er einen Schatten wahrgenommen.
    »Gar nichts wirst du mehr in deinem Leben tun. Gar nichts!«, hörte er noch, bevor er in seinem Garten niedersank.

Kapitel 14
    Hiske irrte durch das Moorgebiet, versuchte sich zu erinnern, wo sie hineingelaufen war. Es sah alles so schrecklich gleich aus. Überall waren Grassoden, überall standen kleine Sträucher und Birken, die sich kaum voneinander unterschieden. Der Mond hatte die Nacht in ein Silbergrau verwandelt, es war nicht wirklich dunkel. So war es zumindest möglich, einen Teil des Weges zu erkennen. Trotzdem hatte Hiske die Orientierung verloren, und sie merkte, dass sie immer mutloser wurde. Was war es für eine dumme Idee gewesen, sich einfach planlos ins Moor zu begeben. Je länger sie umherirrte, desto klarer wurde ihr, wie verzwickt ihre Lage war. Niemand konnte sie hier finden, keiner wusste, wo genau sie sich befand. Selbst wenn der Junge ihr im Moor über den Weg gelaufen wäre, was hätte sie gegen die Macht eines Hinrich Krechtings tun können? Er hatte seine Netze überall ausgelegt.
    Hiske lauschte in die Nacht, hoffte, vielleicht das Rauschen des Meeres zu hören, doch dazu war es zu windstill und das Wasser zu weit entfernt. Es half nichts, sie musste einfach weitergehen, mit ein bisschen Glück würde sie an eine Stelle gelangen, die sie wiedererkannte. Nur nicht schwach werden, nur nicht aufgeben. Sie hatte schon andere Sachen geschafft.
    »Wer das Martyrium in Jever unter Remmer von Seediek überlebt hat, der findet auch aus dem Moor hinaus!«, quetschte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Und noch während sie das sagte, gelangte sie an eine Weggabelung, die ihr bekannt vorkam. Der Stamm eines kleinen Baumes zeigte ihr, vom Wind eindeutig in diese Haltung gedrückt, den rechten Weg. Sie hatte es geschafft.
    Tyde spürte noch Magda Dudernixens Blicke im Rücken. Magda hatte sie fortgehen sehen, und Tyde hoffte, dass sie sie ziehen lassen würde und nicht sofort in der Burg Alarm gab. Als Zofe durfte man die Herrin ja nicht so ohne Weiteres verlassen.
    Das schnelle Laufen tat ihrem Bauch nicht gut, das Ziehen hattte sofort wieder eingesetzt. Trotzdem stapfte sie weiter, beschleunigte ihren Schritt so sehr, dass sie fast ins Rennen verfiel. Es war wie immer seit dem Tod ihres Mannes: Überall sah sie Schatten, von überall her fühlte sie sich verfolgt. Tyde wurde kurzatmig und japste nach Luft. Wenn sie auf der Burg in Lebensgefahr war, dann war es hier auch nicht sicherer. Der Weg zu Hiske barg so viele Gefahren, die sie zuvor nicht bedacht hatte. Der Schatten würde ihr von der Burg her folgen, sie umschlingen und ihr die Luft nehmen. Ihre Vorahnungen, die versteckten Blicke, all das war eben nicht ihrer Fantasie entsprungen, sondern Wirklichkeit gewesen. Ihr trachtete jemand nach dem Leben, wollte sie genauso auslöschen wie ihren Mann. Tyde kannte zwar den Grund nicht, doch sie war sicher, dass Hiske mit ihrer Warnung recht hatte.
    Das Ziehen in ihrem Bauch verstärkte sich immer

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