Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Rede wert.«
Hiske war kurz versucht, nachzuhaken, doch es ging sie ja nichts an. Es würde sie allerdings bestimmt noch weiter beschäftigen, weil auch der Mann Friso van Heek sie beschäftigen würde. Sie wunderte sich selbst über ihr unverhohlenes Interesse, vor allem, da Jan eben zurückgekehrt war und ihre Aufmerksamkeit dennoch von Friso van Heek besetzt war.
»Wie seid Ihr in die Herrlichkeit gelangt? Mit dem Schiff eben könnt Ihr nicht gereist sein.«
Der Kaufmann verzog das Gesicht. »Ich bin mit einer kleinen Knorr von Emden her gekommen. Eine schrecklich ermüdende und lange Reise.« Sein Blick hatte sich bei Hiskes Frage erneut gewandelt. Über das Gesicht des offenen, freundlichen Mannes hatte sich von einer Sekunde auf die andere der Schatten eines vorsichtigen Menschen gelegt. Sie fragte dennoch weiter. Mit dem Mann schien etwas nicht zu stimmen, so als ob er ein gut gehütetes Geheimnis verbarg, das er auf gar keinen Fall preisgeben wollte. »Wo seid Ihr untergekommen?«
»In der
Krocht
. Ein Rattenloch, wenn Ihr mich fragt, werte Hebamme. Wahrlich ein Rattenloch!«
Hiske nickte bestätigend, der Wirt der
Krocht
war dafür bekannt, es mit der Sauberkeit nicht allzu genau zu nehmen.
»Habt Ihr eine andere Idee, wohin ich mein müdes Haupt ansonsten betten könnte?« Nun war Friso wieder der gefällige, überaus zuvorkommende Mann, der gern eine Frau um den Finger wickelte. Hiske war der Blick, der diese Worte begleitet hatte, nicht entgangen, und sie trat einen Schritt zurück. Friso van Heek verstand es wirklich, allein mit seinem Gebaren Grenzen zu überschreiten. So etwas war Hiske noch nie passiert, und es ließ in ihr alle Alarmglocken schellen. Sie befürchtete, dass er ein Mensch war, der keine Skrupel kannte und seine Interessen gegen alle Widerstände durchsetzte.
Auch Jan hatte die Worte und die darin enthaltene Anspielung bemerkt, und so zeigte sich zwischen seinen Brauen eine tiefe Furche. Es war wohl besser, nicht allzu freundschaftliche Beziehungen mit Friso van Heek zu pflegen. Hiske ging allerdings davon aus, dass er vermutlich ohnehin mit dem nächsten Schiff verschwinden würde, denn Kaufleute blieben nie lange in dem Flecken, da es noch nicht viele Geschäfte zu tätigen gab. Und schon gar nicht, wenn sie mit einer Unterkunft wie der
Krocht
vorliebnehmen mussten. Also wandte Hiske sich Lübbert Jans Kremer zu, der nach wie vor ein freundliches Leuchten im Gesicht trug. Er hatte lustige Augen, ihm schien jegliche Bösartigkeit zu fehlen. Es war, als lache er ständig und begrüße das Leben stets mit einer Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die es ihm unmöglich machte, auch nur einen Moment mit seiner Umgebung gram zu sein. Er wurde bereits von seinen drei Kindern umringt, die es nicht abwarten konnten, endlich in die Neustadt aufzubrechen. Doch er strich allen freundlich übers Haar, mahnte sie zur Geduld und widmete nun Hiske seine ganze Aufmerksamkeit. »Ich werde Krechting bei der Arbeit zur Hand gehen«, erklärte er. »Die Pläne von Ascheburgs müssen übertragen werden, hier wird eine Stadt entstehen, wie sie an Bedeutung in Ostfriesland ihresgleichen suchen wird. Das, was Ihr hier seht, ist nur der Anfang.«
Hiske nickte. Das also war der Mann, auf den Krechting gewartet hatte. Er würde seine Sache gut machen, daran zweifelte sie nicht. Lübbert Jans Kremer war jemand, den sie sich gut an der Seite des Juristen vorstellen konnte. Menschen ohne Argwohn waren so wichtig in Zeiten wie diesen. Was ihr aber weiterhin nicht gefiel, war der Blick Friso van Heeks, der, weil er sich unbeobachtet glaubte, sowohl Kremer als auch Jan seltsam beäugte. Nach seinen letzten Worten fühlte sie sich äußerst unwohl in seiner Gegenwart. Hiske schätzte Menschen nicht, die ihr wahres Ich hinter Schleiern verborgen hielten und sie nur dann abnahmen, wenn sie es für richtig hielten. Zu groß war für ihre Mitmenschen die Gefahr, dass sie den entscheidenden Schleier übersahen und getäuscht wurden.
Hiske beschloss zu gehen. Mit Jan konnte sie später sprechen, hier war nicht der rechte Ort. Sie wollte allein mit ihm sein. Es gab so viel, was unausgesprochen zwischen ihnen schwang und nicht für fremde Ohren bestimmt war. Nun hatte sie so lange auf ihn gewartet, da kam es auf die paar Stunden auch nicht mehr an.
»Ich empfehle mich, werte Reisende. Eigentlich hatte ich gehofft, hier einen Kräuter- oder Gewürzhändler zu finden. Aber leider ist keiner mitgereist. Nun muss ich
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