Historical 148 - Die Geliebte des Rebellen.doc
in das Wirtshaus einzusteigen. Von dort fand er über einen Balkon und eine Treppe den Weg in die Gaststube.
Rory trug Pater Malones braunen Umhang aus grobem Sackleinen. Die Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen, so dass man ihn durchaus für einen Mann der Kirche halten konnte. Als er sich unauffällig umsah, zählte er lediglich ein Dutzend Soldaten.
Seltsam! Dabei hatte er doch draußen bei den Ställen mindestens doppelt so viele Pferde gesehen. Also musste sich eine etwa gleich große Gruppe von Söldnern irgendwo im Dorf aufhalten. Wahrscheinlich hurten sie herum oder schliefen ihren Rausch aus.
„Wollt Ihr Ale, Pater?" erkundigte sich das junge Mädchen hinter der Theke.
Rory nickte wortlos und nahm den gefüllten Becher entgegen. Gerade als er ihn an die Lippen setzte, um zu trinken, hielt er mitten in der Bewegung inne. Er glaubte, ihm müsse das Blut in den Adern gefrieren!
Nur wenige Schritte von ihm entfernt saß an einem Tisch ein englischer Soldat, der ihm den Rücken zukehrte. Er hatte gelbliches Haar!
In Rory stieg grenzenloser Hass hoch, der jeden vernünftigen Gedanken im Keim erstickte.
Alle sorgsam durchdachten Pläne waren vergessen. Die Verkleidung. Die unbedingte Ge-heimhaltung. Die List, mit der er die Soldaten dazu hatte bringen wo llen, ihm aus dem Dorf hinaus in den Wald zu folgen.
Von mörderischer Wut beherrscht, trat in seine Phantasie das Bild von Caitlins zerschundenem, blutüberströmtem Körper.
Damit hatte Rory nicht gerechnet. Nach zwei unendlich lang erscheinenden Jahren, nach all den körperlichen Entbehrungen, dem Aufruhr der Gefühle und stets erneuter Enttäuschung, wenn sich seine Hoffnung wieder einmal nicht erfüllt hatte, war das Ziel jetzt endlich zum Greifen nah.
Wenn der Mann vor ihm tatsächlich Tilden war, konnte Rory unmöglich seinen Plan durchführen.
Obwohl er zutiefst aufgewühlt war, gelang es ihm, ruhig an seinem Ale zu nippen und geduldig darauf zu warten, dass der Soldat mit dem gelblichen Haar sich umdrehte. Rory wollte nicht noch einmal den Fehler machen, einen Unschuldigen zu töten, nur weil der dem verhassten englischen Bastard ähnlich sah und Rory ihn daher verwechselte.
Einige Soldaten brachen in lautes Gelächter aus, und jener Mann drehte sich langsam um.
Rory erstarrte. Vom Kinn bis zur Augenbraue zog sich eine hässliche, dunkelrote Narbe über das Gesicht des Engländers.
Zwei Jahre des Schmerzes und der Enttäuschungen. Zwei Jahre unvorstellbaren Leides.
Nun würde der Rachefeldzug endlich zum Abschluss kommen. Hier in diesem Dorf, in seiner Heimat würde Rory seinen Schwur erfüllen. Der Mann vor ihm verdiente es nicht, auch nur noch eine Minute länger zu leben!
AnnaClaire und Innis ließen ihre Pferde am Dorfeingang zurück und folgten zu Fuß dem Licht des Wirtshauses. Dort angekommen, verbargen sie sich hinter einer Mauer, als sie plötzlich lautes Gelächter hörten.
„Englische Soldaten", wisperte Innis.
„Woran erkennst du das?" wollte AnnaClaire wissen.
„Um diese Stunde sind die meisten Dorfbewohner längst im Bett. Sie müssen im Morgengrauen aufstehen und sich um ihre Felder und Herden kümmern", erläuterte der Junge.
Nervös schaute er sich um. „Eigenartig."
„Was ist eigenartig?"
„Hier draußen sind überhaupt keine englischen Wachen postiert."
„Und was ist daran so merkwürdig?"
„Die Soldaten befinden sich auf fremdem, sogar feindlichem Gebiet, Engländerin. Sie haben wahrlich keinen Grund, den Menschen hier im Dorf zu trauen. Es sei denn ..."
„Es sei denn ... was?" flüsterte AnnaClaire.
Innis, der zunächst nur verwirrt die Stirn gerunzelt hatte, machte nun eine finstere Miene.
„Bleibt hier", sagte er unvermittelt.
Bevor AnnaClaire ihn fragen konnte, was er vorhatte, griff er bereits nach einem tief hängenden Ast und zog sich daran hoch. Stück für Stück kletterte er höher, bis er eine offen stehende Luke unter dem Dach des Wirtshauses fand, durch die er ins Innere des Gebäudes kletterte.
AnnaClaire beobachtete ihn genau. Dann raffte sie ihre Röcke und begann, den gleichen Weg zu nehmen wie zuvor Innis. Sie wurde von ihren Kleidern und Unterröcken erheblich behindert, und mehrere Male schimpfte sie leise wenig damenhaft vor sich hin. Doch schließlich hatte sie es geschafft und stand in demselben Raum wie der Junge. Er schickte sich soeben an, die Tür zu öffnen, um nach unten in die Gaststube zu gelangen.
„Ihr hättet draußen im Schutz des Baumes bleiben sollen,
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