HISTORICAL Band 0264
hübscher.“ Sie machte ein finsteres Gesicht. „Wie dem auch sei, schimpf nicht mit mir. Ich bin zu müde.“
Sally legte die Hand auf Connies Arm. „Ich muss mit dir sprechen. Dringend.“
Connie schmollte. „Muss das sein? Ich bin jetzt zu müde zum Reden! Wir haben gestern Abend im ‚Grange’s‘ gegessen, und anschließend sind wir tanzen gegangen.“ Sie lächelte verklärt. „Dann sind wir in ‚Bartram’s Hotel‘ abgestiegen. Es ist sehr teuer.“
„Tatsächlich“, erwiderte Sally trocken. Sie fragte sich, ob Connie wohl auch so freigiebig mit ihren Gunstbezeugungen gewesen wäre, wenn Bertie ein billigeres Hotel gewählt hätte. „Nun, ich habe gestern mit Mr. Kestrel zu Abend gegessen“, fügte sie hinzu.
Connie riss die Augen auf. „Mit Mr. Jack Kestrel? Er wollte mit dir essen gehen?“ Sie verzog das Gesicht vor Neid und Enttäuschung. „Ich hätte ihn so gern kennengelernt!“
„Er möchte dich ebenfalls kennenlernen“, versicherte Sally grimmig.
Connie lächelte, ihre gute Laune war schlagartig wieder hergestellt. „Natürlich möchte er das. Jeder, der in London einen Namen hat, möchte mich kennenlernen.“
„Weil er die Briefe wiederhaben will, die Mr. Basset dir geschrieben hat und die du, glaube ich, benutzt hast, um Mr. Bassets Vater zu erpressen.“
Connie biss sich auf die Unterlippe, eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen. „Das war ein Fehler.“
„Allerdings.“ Sally trommelte mit den Fingern auf das Geländer. „Was hast du vor, Connie?“, fragte sie sanft. „Ich weiß, dass da irgendetwas vor sich geht. Du hast die ganze Nacht mit Mr. Basset verbracht, und trotzdem versuchst du, seinen Vater zu erpressen.“
Connie seufzte übertrieben auf. „Ach Sally, du bist so naiv!“ Sie senkte den Kopf, und ihr nach vorn fallendes Haar verbarg ihren Gesichtsausdruck. „Bertie und ich hatten uns gestritten. Ich dachte, es wäre alles aus.“
Bei diesem Schuldeingeständnis ihrer Schwester wurde Sally das Herz schwer. „Und da hast du versucht, wenigstens noch etwas Geld aus der Sache zu schinden.“
„Warum auch nicht?“ Connie richtete sich wieder auf. „Er war mir etwas schuldig.“
„Und was habt ihr jetzt vor, nachdem ihr euch wieder versöhnt habt, Mr. Basset und du?“, fragte Sally spöttisch. „Wollt ihr Lord Basset etwa einen Entschuldigungsbrief schreiben?“
Connies Miene hellte sich auf. „Das ist eine glänzende Idee! Wir können so tun, als sei die ganze Geschichte nie passiert.“
„Das war ein Scherz! Mr. Kestrel ist sicher kein Mann, der es damit auf sich beruhen lässt, selbst wenn Lord Basset das möchte. Und weiß Mr. Basset überhaupt, dass du seinen Vater erpresst hast, Connie?“
Connie errötete noch stärker. „Nein! Aber er würde mir vergeben, wenn er es wüsste. Wir lieben uns.“
Bei dieser sehr unwahrscheinlichen Behauptung zog Sally die Brauen hoch, aber sie hielt die Zweifel zurück, die ihr auf der Zunge lagen. „Dann wäre es am besten, reinen Tisch zu machen und ihm alles zu sagen, ehe sein Cousin das tut. Mr. Kestrel wird sicherlich später wiederkommen. Du könntest versuchen, ihn von deinem guten Willen zu überzeugen. Obwohl“, so fügte sie trocken hinzu, „das wohl etwas schwerer werden wird als bei Mr. Basset.“
„Ach, ich werde ihn schon becircen“, gab Connie unbekümmert zurück. „Es heißt, er hat eine Schwäche für hübsche Frauen.“ Sie gähnte. „Aber jetzt muss ich ins Bett, liebste Sally, sonst sehe ich heute Abend ganz schrecklich aus.“ Sie winkte ihrer Schwester noch einmal zu, dann eilte sie den Flur entlang. Sally hörte, wie sie energisch die Tür hinter sich ins Schloss zog, und begab sich seufzend wieder in ihr eigenes Zimmer. Lustlos suchte sie sich etwas zum Anziehen heraus. Das Gespräch mit ihrer Schwester über die versuchte Erpressung hatte sie deprimiert. Selbst wenn Connie und Bertie sich versöhnt hatten, würde Lord Basset die Verbindung für höchst unpassend halten und versuchen, das Paar mit Hilfe von Jack Kestrel auseinanderzubringen. Und Connies Gefühle für Bertie schienen nicht besonders tief zu gehen.
Sally war äußerst beunruhigt. In den beiden Nächten mit Jack hatte sie Connie und die Erpressung völlig vergessen. Sie hatte sich einer Leidenschaft hingegeben, die jeden anderen Gedanken aus ihrem Kopf verdrängt hatte. Jetzt jedoch fiel ihr wieder ein, dass sie sich nie begegnet wären, wenn Jack nicht in den Club gekommen wäre, um Connie zu finden.
Weitere Kostenlose Bücher