HISTORICAL Band 0264
hatte.
„Ich bin sofort gekommen, als ich die von Ihnen gewünschten Erkundigungen eingezogen hatte, Sir“, sagte Mr. Churchward jetzt. „Ich habe ein paar Nachforschungen bezüglich Miss Bowes’ Hintergrund und ihrer Beziehung zu Mr. Basset angestellt.“ Er schüttelte besorgt den Kopf. „Eine höchst flatterhafte junge Dame, wenn ich so sagen darf, Sir, und …“, er räusperte sich und wurde rot, „… etwas wahllos im Verteilen ihrer Zuneigung.“
„Das überrascht mich nicht, Churchward. Nur zu, ich rechne mit dem Schlimmsten.“
„Nun, Sir …“ Churchward öffnete umständlich seine Aktentasche und entnahm ihr mehrere Papiere. „Miss Constance Bowes ist die jüngste Tochter von Sir Peter Bowes, einem recht angesehenem Architekten, der unglücklicherweise Ende des letzten Jahrhunderts sein ganzes Vermögen durch unkluge Spekulationen verloren hat. Sie hat zwei ältere Schwestern, die berüchtigte Suffragette Petronella Bowes“, dabei klang seine Stimme äußerst missbilligend, „und die nicht minder berüchtigte Mrs. Jonathan Hayward, die einen Spielclub auf dem Strand betreibt.“
„Miss Sally Bowes“, verbesserte Jack, und seine Mundwinkel zuckten verräterisch. „Ich glaube, sie zieht es vor, nicht unter ihrem Ehenamen bekannt zu werden.“
„Das kann ich mir denken“, erwiderte Mr. Churchward frostig. „Eine Frau dieses Rufs …“
„Kehren wir zu Miss Constance zurück“, fiel Jack ihm ins Wort, denn Churchwards Beschreibung von Sally rief einen leidenschaftlichen Beschützerinstinkt in ihm hervor. „Was gibt es noch über sie zu sagen?“
„Nun, Sir …“ Churchward warf Jack einen erstaunten Blick zu wegen seines plötzlich so schroffen Tonfalls. „Miss Constance war zwölf, als ihr Vater sein Vermögen verlor, und fünfzehn, als er starb. Sie lebte ein paar Jahre bei einer unverheirateten Tante.“ Er blätterte in seinen Unterlagen. „Es gab da einen kleinen Skandal wegen einer Tändelei mit einem Klavierlehrer. Später scheiterte ihr Versuch, mit einem jungen Herrn namens Geoffrey Chavenage durchzubrennen.“ Er räusperte sich erneut. „Als ihre Schwester Mrs. Hayward, ich meine Miss Bowes, Witwe wurde, zog Miss Constance zu ihr in den Blue Parrot Club und begann dort zu arbeiten.“ Churchward machte eine Pause. „Vor zwei Jahren dann waren beide Frauen in ein ziemlich unappetitliches Gerichtsverfahren wegen Bruch des Eheversprechens verwickelt.“
Jack, der während des Berichts aufgestanden und zum Fenster geschlendert war, drehte sich abrupt um. „ Beide Frauen?“, fragte er nach. Ein eisiger Schauer überlief ihn. „Sind Sie sicher?“
„Ja, Sir.“ Mr. Churchward zog ein weiteres Papier aus seinem Stapel. „Miss Constance Bowes verklagte einen gewissen John Pettifer wegen Bruchs des Eheversprechens. Ihre Schwester fungierte für sie als Zeugin und stand ihr während des gesamten Prozesses bei. Sie gewannen ihn“, fügte er düster hinzu, „und erhielten eine beträchtliche Entschädigungssumme.“ Er rückte sich die Brille zurecht. „Mrs. Hayward war es auch, die sich mit dem unglückseligen Durchbrennen ihrer Schwester befasste. Die Familie Chavenage zahlte damals angeblich eine größere Summe, damit die Angelegenheit nicht vor Gericht kam, denn Miss Constance war seinerzeit noch minderjährig.“ Er räusperte sich abermals. „Man könnte also zu dem Schluss kommen, Sir, dass der vorliegende Fall mit Miss Constance und Ihrem bedauernswerten Cousin Methode ist, um junge Herren zu Indiskretionen zu verleiten und dann von ihnen Geld einzufordern.“
Jacks dunkle Augen waren ganz schmal geworden, und in seiner Wange zuckte ein Muskel. „Und Sie sind sich sicher, absolut sicher, dass Miss Sally Bowes – Mrs. Hayward – ihre Schwester darin unterstützt hat, beide Fälle vor Gericht zu bringen?“
Er merkte, wie überrascht Churchward angesichts seiner Heftigkeit war. Die Augen des Anwalts blinzelten kurzsichtig hinter den dicken Brillengläsern. „Jawohl, Sir.“ Er hielt ihm die Papiere hin. „Ich habe hier die Gerichtsprotokolle. Miss Sally Bowes unterstützte ihre Schwester tatkräftig im Fall Pettifer und meinen Informanten nach auch im Fall Chavenage.“
Jack nahm ihm die Papiere ab. Er würde nicht ein Wort von den Anschuldigungen gegen Sally glauben, ehe er den Beweis mit eigenen Augen gesehen hatte. Langsam begann er zu lesen. Churchward hatte mit seiner ordentlichen Handschrift vermerkt, dass die Familie Chavenage offensichtlich
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