HISTORICAL Band 0264
darum zu bitten. Das ist es nicht wert.“
Er packte sie beinahe grob am Arm. „Zu spät. Sie haben das Geld angenommen und bereits ausgegeben.“
Sally entwand sich seinem Griff. „Ich werde es zurückzahlen“, beharrte sie. „Ich werde eine Möglichkeit finden, vielleicht irgendetwas verkaufen …“
„Das haben Sie bereits getan.“ Jacks Miene war wie versteinert. „Falls Sie sich daran erinnern, Sie haben sich selbst dafür verkauft. Und ich bin sicher, ich kann Sie dazu bringen, das wieder zu tun.“ Damit zog er sie an sich und küsste sie auf den Mund.
Ein Schauer überlief sie. Wie war es nur möglich, solch eine Distanz zu diesem Mann zu fühlen und gleichzeitig seine Berührung so zu genießen? Das verwirrte und quälte sie.
„Sie werden meine Verlobte sein, wenn ich das verlange.“ Mit den Lippen streifte er ihre Halsbeuge, und Sally fing an zu zittern. „Sehen Sie?“, sagte Jack und hob ihr Kinn an. „Es ist doch gar nicht so schwer.“
„Heb dir deine Liebesbeweise für die Privatsphäre deines eigenen Zimmers auf, Neffe, am besten bis nach der Hochzeit!“, schimpfte Lady Ottoline auf dem obersten Treppenabsatz. Langsam kam sie die Stufen herunter.
„Nun?“, flüsterte Jack und sah sie fragend an. „Willigen Sie ein?“
Sally dachte hastig nach. „Nur für diesen einen Abend werde ich mich als Ihre Verlobte ausgeben, aber nicht, um Ihnen einen Gefallen zu tun, Mr. Kestrel. So wie Sie Ihrer Tante die Dummheit von Mr. Basset verschweigen wollen, so möchte ich Connie nicht ihrer Kritik aussetzen. Mir ist ebenso sehr daran gelegen wie Ihnen, die Situation zu retten.“
„Natürlich.“ Jack verneigte sich spöttisch vor ihr.
Ohne ein weiteres Wort machte Sally auf dem Absatz kehrt, ging durch die Haustür nach draußen und eilte die Stufen hinunter. Sie brauchte unbedingt frische Luft und Zeit zum Nachdenken. Hinter ihr in der Halle vernahm sie Lucys aufgeregtes Plappern, als das Kindermädchen sie wie versprochen wieder nach unten zu ihrem Onkel brachte. Sally dachte an diese glückliche Familie, in die sie sich gedrängt hatte, und schämte sich in Grund und Boden. Aber andererseits hatte Jack darauf bestanden, sie herzubringen, und es war Connie gewesen, die diese ganze Geschichte mit ihrem Durchbrennen überhaupt erst ausgelöst hatte. Sie sollte die Schuld nicht auf sich nehmen. Das Einzige, was sie tun konnte, war, Connie so schnell wie möglich zu finden und sich dann mit ihr ohne viel Aufhebens aus der Affäre zu ziehen.
Sally schlenderte durch den kühlen, schattigen Innenhof mit seinen Springbrunnen und Statuen auf den Burggraben zu. Die späte Nachmittagssonne schien auf das Wasser und blendete sie. Schützend schirmte sie die Augen mit der Hand ab.
„Alles in Ordnung, Sally, altes Mädchen?“
Sie hatte Gregory Holt gar nicht kommen hören, doch als er jetzt neben ihr stand, dachte sie, sie hätte ihn eigentlich am Pfeifenrauch erkennen müssen, der ihn ständig umgab. Schon als Student bei ihrem Vater hatte er Pfeife geraucht. Sally erinnerte sich lächelnd, wie Nell und sie ihn immer damit aufgezogen hatte, er sähe mit seinen damals einundzwanzig Jahren aus wie ein alter Mann.
„Ach Greg, ich habe dich gar nicht gesehen“, sagte sie.
Greg nahm ihren Arm und führte sie den Pfad entlang zu einer steinernen Bank, von der aus man über den Burggraben bis zum Wildgehege dahinter blicken konnte. „Ich wollte mit dir reden“, sagte er. „Ich habe eben gehört, du bist mit Jack Kestrel verlobt.“ Er räusperte sich. „Tu das nicht, Sally. Ich weiß, du hast ein miserables Urteilsvermögen, was Männer betrifft, aber das wäre wirklich ein katastrophaler Fehler. Fast so schlimm wie dein letzter.“
Trotz allem musste Sally lachen. „Musst du immer parat stehen und mich vor den Gefahren meiner Auserwählten warnen, Greg?“ Sie wurde ernst. „Ich hätte damals bei Jonathan auf dich hören sollen, das gebe ich zu. Es tut mir leid.“
Greg nahm ihre Hand und drückte sie leicht. „Du solltest auch jetzt auf mich hören“, meinte er. „Versteh mich nicht falsch. Ich bin mit Jack befreundet, seit wir Kinder waren. Er ist ein guter Geschäftsmann und sogar noch besser, wenn man irgendwie in der Klemme steckt, aber er würde einen grässlichen Ehemann abgeben.“
„Dann sei unbesorgt“, beschwichtigte Sally. „Ich habe nämlich nicht vor, ihn zu heiraten.“
Greg starrte sie an. „Warum dann …?“
„Es ist eine bequeme Lösung, um meine Anwesenheit
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