HISTORICAL Band 0272
Richtige.“
„Freddie, bitte versprich mir, dass du Mr. Ryder keinen Brief schreibst“, bat Eva inständig.
„Bist du sicher? Nun gut, sag mir Bescheid, wenn du deine Meinung änderst, Mama.“ Freddie fand plötzlich Interesse an seinem ausziehbaren Fernrohr, setzte es ans Auge und riskierte damit, in der hin und her schaukelnden Kutsche seekrank zu werden.
Eva sank in die Samtpolster zurück. Bel war der Meinung, er liebe sie. Ihr eigener Sohn dachte, er liebe sie. Sie hatte gehofft, er würde sie lieben. Aber Jack hatte die Worte nicht gesprochen. Waren sie alle im Irrtum – oder wollte er ihr dieses Geständnis absichtlich nicht machen?
Zwei Tage später grübelte Eva immer noch über diese Frage. Sie reisten in angenehmer Geschwindigkeit. Einer der Diener saß neben dem Kutscher und trug ein Gewehr, der andere ritt gemeinsam mit Grimstone neben dem Wagen her. Bisher hatte es keine unliebsamen Zwischenfälle gegeben, es drohte offenbar keine Gefahr mehr. Anscheinend waren Antoines verschwörerische Pläne mit seinem Tod aus der Welt geschafft.
Sie betrachtete die Landschaft, die draußen vorüberzog, verglich sie mit England und Maubourg. Irgendwie hatte sie nie eine echte Heimat gehabt. Das französische Château, in dem sie aufgewachsen war, erschien ihr nur noch wie eine blasse Erinnerung. In England hatte sie sich nur kurze Zeit aufgehalten, bevor Louis um ihre Hand angehalten hatte, und Maubourg war durch die Heirat ihre Heimat geworden.
Jack war ein typischer Engländer, vom Scheitel bis zur Sohle. Ohne es erklären zu können, hatte sie eine Veränderung an ihm wahrgenommen, sobald sie englischen Boden betreten hatten. Irgendwie hatte er entspannter, gelöster gewirkt. Er war endlich wieder zu Hause. Und sie hatte von ihm verlangt, das alles hinter sich zu lassen, ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, was er dabei empfand, ohne ihn nach seinen Wurzeln, seinen Besitztümern zu fragen, ob und wie sehr er sich damit verbunden fühlte.
Sie hatte sich in einen Mann verliebt, ohne ihn je in seiner Umgebung erlebt zu haben. Wie konnte sie unterstellen, ihn wirklich zu kennen und zu verstehen? Wie konnte sie von ihm fordern, sein bisheriges Leben für sie aufzugeben?
Drei Tage später holperte die Kutsche über das Kopfsteinpflaster von Lyon. Eva hatte inzwischen begriffen, dass sie unbesonnen gehandelt hatte. Sie hätte ihm diesen Antrag niemals machen dürfen. Stattdessen hätte sie ihm gestehen müssen, dass sie ihn liebte, und auf seine Antwort warten müssen. Sie hätte keine Forderungen stellen dürfen, hätte einen Weg finden müssen, ihn wissen zu lassen, dass er das Recht hatte, ihr einen Antrag zu machen – wenn er sie liebte. Sie hätte diese Affäre nicht beginnen dürfen, ohne darüber nachzudenken, wie ihr Leben mit seinem Leben in Einklang zu bringen wäre.
Aber sie konnte sich nach wie vor nicht vorstellen, wie diese Übereinstimmung zustande kommen könnte. Sie blickte auf die Rhône, die neben der Uferstraße floss. Der mächtige Strom, in dessen wilden Strudeln sie beinahe ertrunken wäre, hätte Jack sie nicht unter Einsatz seines eigenen Lebens gerettet. „Bald sind wir zu Hause“, sagte sie aufmunternd zu Freddie, bevor sie wieder über Kompromisse und Zugeständnisse ins Grübeln geriet. Aber wie? Sie musste an ihren Sohn denken, an ihre Pflichten in einem Land, das viele hundert Meilen von England entfernt war.
Der erste Anblick der Burg verschlug Freddie den Atem. Und als die Kutsche über die Brücke holperte und die steile gewundene Straße zum Haupttor erklomm, drückte er sich die Nase am Wagenfenster platt, stürzte an jeder Wegbiegung von einer Seite der Karosserie zur anderen, auf der Suche nach Punkten, an die er sich erinnerte.
Grimstone gab seinem Pferd die Sporen und ritt voraus, um die Burgbewohner von ihrer Ankunft zu unterrichten. Die Leibgarde nahm Aufstellung zu beiden Seiten des Tores, die Dorfbewohner rannten neugierig herbei, um die hohen Herrschaften zu begrüßen.
Vor dem Portal kam die Kutsche zum Halten, einer der beiden Diener öffnete den Wagenschlag, klappte das Treppchen herunter und wollte Eva beim Aussteigen helfen. „Nein, warten Sie“, gebot Freddie ihm Einhalt. In würdevoller Haltung, die Eva ihrem kleinen Sohn nicht zugetraut hätte, sagte er: „Verzeih, Mama“, und kletterte aus der Kutsche, nahm Haltung an, streckte ihr die Hand entgegen und gestaltete ihren Auftritt zu einer kleinen Zeremonie.
Dabei blickte er
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