Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HISTORICAL Band 0272

HISTORICAL Band 0272

Titel: HISTORICAL Band 0272 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LYN STONE LOUISE ALLEN
Vom Netzwerk:
aufstehen.“
    Eva befürchtete beinahe, von diesem rätselhaften Magnetismus regelrecht befallen zu sein. Anscheinend war die Seele dazu fähig, wie ein Geist körperliche Grenzen zu überwinden. Und sie entsann sich vage, einmal etwas über Kuren mit magnetischem Wasser gelesen zu haben, um diesem Strömen der Nervenbahnen Einhalt zu gebieten. Oder lag alles nur an dem übermäßigen Genuss von Wein am gestrigen Abend und an ihren Kopfschmerzen?
    „Sie müssen aber zuerst aufstehen, damit ich nicht gleich unter dieser Decke ersticke.“ Sie beschwerte sich mit kratzender Stimme, ihr Mund war wie ausgetrocknet. Gottlob konnte sie einigermaßen klar sprechen. Im ersten Moment hatte sie befürchtet, nur unverständliches Zeug herauszubringen, wenn sie den Mund öffnete.
    „Wie Sie wünschen.“ Jack rollte sich zur Seite, stand auf, streckte sich, trat ans Fenster und stieß die Läden auf. Er trug ein zerknittertes Hemd und Reithosen.
    „Sie wollten doch ein Nachthemd anziehen.“ Eva setzte sich im Bett auf und strich sich das offene Haar mit beiden Händen aus dem Gesicht. Sie hatte nicht einmal ihren Zopf geflochten.
    „Diesen Vorschlag hatten Sie entsetzt von sich gewiesen. Ich glaube sogar, Sie verliehen ihrem Ekel vor behaarten Männerbeinen Ausdruck.“ Jack wandte sich vom Fenster, stemmte die Hände in die Hüften und lächelte sie an.
    „Habe ich das tatsächlich gesagt? Gütiger Himmel.“ Eva barg das Gesicht in ihren Händen. Wenn sie nicht zum Fenster hinsah, war er vielleicht gar nicht da. Und sie musste ihre Verlegenheit nicht ertragen. Immerhin hatte er mitbekommen, dass sie beschwipst – nein, betrunken – war und schamlos indiskret. Was musste er nur von ihr annehmen? Schlimmer als das, was sie selbst von sich dachte, konnte es allerdings nicht sein.
    „Eva.“ Die Matratze neben ihr wurde heruntergedrückt, gleich danach legte sich eine Hand auf ihre Schulter, eine große, warme und tröstliche Hand.
    „Lassen Sie das! Fassen Sie mich nicht an!“, zischte sie. Die Hand entfernte sich. „Es tut mir leid. Das ist sehr schwierig für mich.“ Schweigen. „Ich bin nicht an Vertraulichkeiten gewöhnt. Ich bin nicht daran gewöhnt, dass mir jemand so nahe kommt oder Anteil daran nimmt, was ich tue und denke.“
    Sie ließ die Hände sinken und sah ihn an. Plötzlich drängte es sie, ihm mitzuteilen, was in ihr vorging. „Ich weiß nicht, wie ich mich in Ihrer Gegenwart verhalten soll. Diese Distanzlosigkeit zwischen uns ist mir so fremd, das kannte ich bisher nicht.“ Jack hörte ihr aufmerksam zu, ohne etwas über seine Gefühle zu verraten, abgesehen davon, dass sie nicht den Eindruck hatte, er mache sich über sie lustig.
    „Diese Nähe wurde uns aufgezwungen, und ich komme mir vor wie ein Schiff ohne Steuermann. Mir fehlt jede Anleitung. Sie sind weder ein Diener, noch gehören Sie zur Familie, Sie sind auch kein Berater oder Arzt oder Jurist. Was sind Sie eigentlich für mich?“
    Sie erwartete keine Antwort, schon gar nicht die, die er ihr gab. „Ein Freund.“
    „Ein Freund?“ Wieso schmerzte dieses Wort? Ihr war, als würde ein Lichtschein die große Einsamkeit ihres Herzens erhellen, als würde man sie zwingen, sich mit dieser Leere auseinanderzusetzen. „Ich habe keine Freunde.“
    „Nun, dann haben Sie jetzt einen Freund.“ Jack nahm ihre Hand, die auf der Bettdecke lag. „Eva, Sie haben mir ihre geheimen Ängste anvertraut, Sie haben offen über Ihren Sohn mit mir gesprochen und über Ihre Beziehung zu Ihrem Ehemann. Sie haben sich in meiner Gegenwart einen Schwips angetrunken und mir Ihre Abneigung gegen Männernachthemden anvertraut. Das Schicksal hat uns einander zugeführt, um gemeinsam ein gefährliches Abenteuer zu bestehen. Und heute gehen wir zusammen einkaufen. Auch das gehört zu den Dingen, die man mit Freunden unternimmt.“
    Ihre Hand wirkte so zart und verloren in der seinen, die groß und gebräunt war. Er umfasste ihre Finger, eher beschützend und keineswegs besitzergreifend. Eva betrachtete seine kurz geschnittenen Fingernägel, sah die abgeschürften Stellen an den Knöcheln, die er sich wohl beim Herunterlassen am rauen Mauerwerk zugezogen hatte, um in ihr Zimmer zu gelangen. Zerstreut strich sie mit dem Daumen über die verkrusteten Hautstellen.
    „Schließen Sie mit all ihren Klienten Freundschaft?“ Sie bemühte sich, den Tonfall einer Großherzogin anzuschlagen, um nicht wie die verängstigte und verwirrte junge Frau zu wirken, die sie

Weitere Kostenlose Bücher