Historical Band 303
größter Begeisterung in ihrem Bett willkommen geheißen. Ihre verzückten Wonnerufe soll man bis in die Nachbarzimmer vernommen haben.“
Sophies Wangen überzog eine dunkle Röte. „Sie waren intim miteinander? Aber wann? Wo?“
„Er hat sie in Compiègne getroffen, und dort die Nacht mit ihr verbracht. Sie waren …“ Er hielt bedeutungsvoll inne. „… sehr glücklich miteinander.“
„Woher wissen Sie solche Dinge?“
Leicht legte er einen Finger auf ihre Lippen. „Im Palais Royal hört man alles.“
Es würde mich nicht verwundern, wenn unser eitler Kaiser diese Geschichte selbst in die Welt gesetzt hätte, schoss es Sophie durch den Kopf, während sie sich rasch um Fassung mühte. Sie gemahnte sich, dass die Berührung eines Mannes ihr keinesfalls ein solch heißes Prickeln am ganzen Körper verursachen sollte; dass sie nur eine Näherin war, unberührt und unerfahren. „Dessen bin ich mir sicher, Monsieur Jacques“, antwortete sie knapp. „Sind Sie fertig? Wir müssen jetzt wirklich gehen.“
„Also treffen wir uns morgen wieder hier?“
Sie erstarrte. „Ich dachte, Sie hätten die Arbeiten beendet.“
„Noch nicht ganz. Der Lack muss noch aufgetragen werden, weißt du nicht mehr?“
„Natürlich.“ Sie krauste die Stirn und betrachtete das Bild, das er gerade geändert hatte. „Es wundert mich, dass ich dieses Gemälde übersehen habe!“
„Nun, Joséphine war auch kaum zu erkennen, aber wir können es uns nicht leisten, ein Risiko einzugehen“, erinnerte er sie. „Napoleon hat Augen wie ein Adler. Morgen Abend?“
„Morgen Abend.“
Die Nacht vor der Hochzeit. Danach würde sie ihn nie wiedersehen. Und dabei hatte er sie an diesem Abend noch nicht einmal geküsst.
Oh, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, Sophie zu küssen. Nachdem er sie zum Palais des Tuileries gebracht hatte, war er rastlos durch Paris geschlendert, bis er sich schließlich in einer schäbigen Weinkaschemme in der Rue de la Baume niederließ. Dort wetteten mehrere Männer darauf, wie lange es wohl dauern würde, bis Napoleons Braut ihm einen Sohn schenkte. „Sie ist eine Habsburgerin“, rief einer. „Eine fruchtbare Familie, diese Habsburger, und sie haben das blaueste Blut ganz Europas!“
Jacques schenkte dem stetig lauter werdenden, scherzenden Geplänkel keine Beachtung und ließ sich viel zu oft das Weinglas mit Burgunder füllen.
Zur Hölle. Wie war er nur in diesen Schlamassel geraten? Er hatte Sophie bloß helfen wollen, weil sie hübsch und unschuldig war. Allerdings war ihm rasch bewusst geworden, dass er sie nicht mehr küssen durfte. Ihre Erwiderung auf seine Liebkosungen ließ die Leidenschaft wie heiße Lava durch seine Adern rauschen und erfüllte ihn mit solcher Glut, dass er fürchten musste, sich nicht mehr zurückhalten zu können.
Um Himmels willen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie nie wieder zu sehen. Aber wie sollte er ihr das nur sagen … wie sollte er ihr alles erklären?
4. KAPITEL
A m Vorabend der Hochzeit drängten sich im Palais des Tuileries die Höflinge und Dienstboten. In der riesigen Küche eilten ganze Heerscharen von Köchen hektisch umher, während draußen eine Kutsche nach der anderen vorfuhr, hochbeladen mit erlesenen Speisen, exotischen Pflanzen, Blumengirlanden sowie großen und kleinen Geschenken, die aus allen Winkeln von Napoleons Reich eintrafen.
Während Sophie in der Dienstbotenküche ihr Abendbrot aß, rätselte sie, wo Fleur wohl steckte. Niemand sonst hatte ihre Abwesenheit bemerkt, denn eines der anderen Hausmädchen las an Fleurs Stelle die Speisekarte des Hochzeitsmenüs vor.
„Eingelegte Austern, gebutterter Hummer, Wildpastete. Hammelbraten à la Turc, geröstetes Lamm mit Herzmuscheln. Und zum Dessert ein Sahnecreme-Trifle und Lebkucheneis – oh, du liebe Güte!“, seufzte das Mädchen sehnsuchtsvoll.
„Dieser ganze ausgefallene Schnickschnack wird Napoleon nicht beeindrucken“, sagte ein vorlauter junger Bursche lachend. „Ihr wisst ja, wie er zum Thema Essen steht. Fünfzehn Minuten reichen, um jedermann den Magen zu füllen, behauptet unser kleiner Kaiser.“ Er blinzelte verschmitzt. „Dieselbe Ansicht vertritt er übrigens bei … ahem … amourösen, fleischlichen Gelüsten.“
„Halt den Mund, du frecher Rotzlöffel!“, befahl ein stämmiger Koch.
In diesem Moment kam Fleur in die Küche geeilt, bleich und verzweifelt.
„Fleur!“ Sophie war sofort an ihrer Seite. „Was ist geschehen, meine
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