Historical Band 303
Nairna nickte ihr zu, und Agnes eilte davon.
Die Tür hatte sich geschlossen. Bram sah Nairna an. „Hast du schon gegessen?“
Sie nickte. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie ausfragte. Er betrachtete das Essen, das Agnes zubereitet hatte. Es war nicht viel, nur etwas Hammelfleischeintopf und ein paar Fladenbrote. Aber er sah alles mit hungrigen Augen an und sog den Duft ein, als hätte er Angst, es könnte plötzlich verschwinden.
Plötzlich dämmerte ihr die Wahrheit. „Wie lange hast du schon nichts mehr gegessen?“, murmelte sie.
„Seit zwei Tagen“, gestand er. Er nahm ein Stück Brot und tunkte es in den Eintopf. Dann kaute er langsam, als würde er jeden Bissen genießen. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er über das Essen herfallen würde. Stattdessen aß er langsam und auch viel zu wenig. Das meiste ließ er liegen. Als sie die Reste forträumen wollte, hielt er sie zurück. „Lass es da. Ich versuche, später noch etwas zu essen.“
Mit einem Blick auf den Badezuber begann er, seine Tunika aufzuschnüren. Nairna wusste nicht, ob er von ihr erwartete, dass sie ging oder dass sie blieb. Als er sich dann das Gewand über den Kopf zog, hielt sie unwillkürlich die Luft an.
Schwere Narben bedeckten seine Brust, hunderte von rot-weißen Striemen. Es sah aus, als hätten sie versucht, ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen.
Großer Gott im Himmel! Was hatten sie ihm angetan? Alles in ihr krampfte sich zusammen beim Anblick der Ungerechtigkeit, die er hatte erleiden müssen. Sie hatte Angst, dass schon die Berührung mit warmem Wasser ihm Schmerzen bereitete.
Ihn so zu sehen, weckte in ihr den Wunsch, wieder für ihn zu sorgen, die Qualen zu lindern, an denen er litt. Welche Foltern hatte er wohl in seiner Gefangenschaft erdulden müssen? Es jagte ihr Angst ein, daran zu denken.
Bram erklärte nichts. Als er sich weiter auszog, wandte sie sich ab. Sie wartete, bis sie ein leises Platschen hörte. Dann fragte sie: „Soll ich gehen oder bleiben?“
Als er nicht antwortete, wagte sie einen Blick über ihre Schulter. Mit angezogenen Knien saß er vornüber gebeugt im Wasser. Zögernd machte sie einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen.
„Ich nehme es dir nicht übel, wenn du lieber gehen willst“, meinte er schließlich. „Ich weiß, wie ich aussehe.“
Sie biss sich auf die Lippen und war wie erstarrt. Es gab keine Worte, um die furchtbaren Narben auf seiner Brust zu beschreiben. „Erzähle mir, was geschehen ist.“
Aber wieder gab Bram ihr keine Antwort. Er lehnte nur den Kopf an den Rand des Zubers. Sie ging zu ihm und hielt ihm die Seife hin.
Er nahm sie und schien zu verstehen, dass sie zögerte, ihn anzufassen. Es war aber die Angst, ihm wehzutun, die sie zögern ließ. Sie nahm ein Handtuch und legte es so, dass er es greifen konnte. Plötzlich herrschte ein unbehagliches Schweigen zwischen ihnen. Es gab wenig, was Nairna noch sagen oder tun konnte.
Sie sollte nicht so nervös sein. Du lieber Himmel, schließlich hatte sie Iver so oft beim Baden geholfen.
Aber das hier war Bram, ein Mann, den sie sieben Jahre lang nicht gesehen hatte. Sie wusste nicht, wie er gerne badete. Und je länger sie wartete, desto mehr nagten Zweifel an ihr.
Sie griff nach seinem langen dunklen Haar. „Soll ich dir die Haare schneiden?“, schlug sie vor.
Er hielt ihre Finger fest. „Sie sind seit sieben Jahre nicht geschnitten worden.“ Er ließ die Hand auf ihrer ruhen, und Nairna überlief ein Schauer.
„Dann werde ich mich jetzt darum kümmern.“ Wenigstens hatte sie so etwas zu tun. Etwas, das ihm keine Schmerzen bereiten würde.
Er zeichnete mit dem Daumen kleine Kreise auf ihre Handfläche. „Es tut mir leid, Nairna.“
In den drei Worten lag die Entschuldigung für die vergangenen Jahre. Ihre Blicke trafen sich. Unwillkürlich beugte sie sich vor, und ihr Herz fing an, schneller zu klopfen. Wenn sie es zuließ, würde er sie jetzt wieder küssen.
Sie fühlte ihre Wangen heiß werden, und das Atmen fiel ihr mit einem Mal schwer. Es war so lange her, dass ein Mann ihr seine Zuneigung gezeigt hatte. Iver hatte sich, was das betraf, keine große Mühe gegeben.
Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und wartete. Hinter dem heimlichen Begehren in Brams Augen entdeckte sie noch ein anderes Gefühl, das sie nicht deuten konnte. Sie wusste nicht, ob es der Widerwille oder der Zorn darüber war, dass sie sich wieder verheiratet hatte.
Er ließ ihre Hand los und schloss die
Weitere Kostenlose Bücher