Historical Band 303
bekomme schon noch mein Geld, mach dir da mal keine Sorgen.“
Mit Tränen in den Augen umarmte Nairna ihn zum Abschied. „Ich danke dir.“
„Auf jetzt! Schickt eine Nachricht, wenn ihr gut angekommen seid“, befahl er. Und an Bram gewandt fügte er hinzu: „Pass auf meine Tochter auf.“
Bram erwiderte seinen Blick und nickte. Die Zügel in der Hand, wartete er bereits auf dem Wagen auf Nairna. Sie sah sich nach ihrer Amme um. Aber die alte Frau war nirgends zu sehen.
„Agnes kommt doch mit uns, oder?“, fragte Nairna.
Bram schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Vielleicht später, wenn ich weiß, wie es auf Glen Arrin aussieht.“
„Und was ist mit einer Eskorte?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ganz allein mit ihr reisen wollte. Nicht in diesen unruhigen Zeiten hier in den Highlands.
„Sie würde nur die Aufmerksamkeit von Cairnross und seinen Leuten wecken, falls sie immer noch nach ihm suchen“, gab ihr Vater zu bedenken. Er wechselte einen Blick mit Bram. „Und nach allem, was gestern mit Harkirks Männern geschah, wollen wir nicht ihre Aufmerksamkeit auf uns ziehen.“
Das gefiel Nairna nicht. Es war gefährlich, ohne Begleitung zu reisen, besonders, wenn der Weg durch Feindesland führte. Bram spürte ihr Unbehagen und legte die Hand auf den Griff eines Breitschwerts, das Nairna zuvor nicht gesehen hatte. Es war, verborgen unter seinem dunklen Wollumhang, auf seinem Rücken festgeschnallt. „Es kann uns nichts passieren.“
Er half ihr, auf den Wagen zu klettern und sich zwischen die Ladung zu setzen. Der Wagen rumpelte zum Tor hinaus, und Nairna betete, er möge recht behalten.
Je weiter sie nach Nordwesten kamen, desto höher wurden die sanften Hügel, die schließlich in Berge übergingen. Die silbrig schimmernden Wellen des Sees leckten am steinigen Ufer und hoben sich von den weiten grünen Grasflächen ab. Der Baumbestand wurde spärlicher. Regen klatschte auf die Kapuzen ihrer Wollmäntel.
Nairna war an Regen gewöhnt, aber heute sorgten die tief hängenden Wolken über dem Gebirge für eine geisterhafte Stimmung.
Der Clan der MacKinlochs lebte zwei Tagesreisen entfernt. Bisher war Nairna nur einmal dort gewesen. Nachdem Bram für tot gehalten wurde, hatte sie es vorgezogen, bei ihrer Familie anstatt unter Fremden zu leben.
Sie sah unter der Plane hervor. Ihr fiel auf, wie zusammengesunken Bram auf dem Bock saß und wie er die Schultern hängen ließ. Er sah starr geradeaus und hielt nach Feinden Ausschau. Die Erschöpfung lastete schwer auf ihm, schien ihn niederzudrücken. Nairna fragte sich, wie sie ihm helfen und es ihm leichter machen konnte.
Nach einer weiteren Stunde ging sie nach vorn und setzte sich neben ihn. Sie konnte ihm am Gesicht ablesen, was er von dieser Reise erwartete. Sie erriet es aus der Art, wie er das Kinn vorreckte.
„Du hast deine Familie nicht mehr gesehen, seitdem du gefangen genommen wurdest?“, brach sie schüchtern das Schweigen. Sie hoffte, ihn zum Sprechen zu bringen, auch wenn sie sich die Antwort schon denken konnte.
Zuerst schüttelte Bram nur den Kopf.
Sie versuchte es noch einmal. „Meinst du, dein Bruder freut sich, dich zu sehen?“ Er zuckte die Schultern, als wüsste er es nicht.
Das würde eine lange Reise werden, wenn er kein Wort sprach. „Hast du deine Stimme in Ballaloch vergessen? Oder hast du beschlossen, mich zu ignorieren?“
Bram ließ die Pferde langsamer gehen und drehte sich zu ihr um. In seinen Augen las sie eine brodelnde Unruhe. Und einen unausgesprochenen Zorn. „Sie versuchten nicht, uns zu befreien, Nairna. Mein Bruder und ich waren jahrelang eingesperrt. Kein Einziger meiner Familie kam, um nach uns zu suchen. Und ich weiß nicht, warum.“
Seine Stimme klang heftig und Nairna bereute sofort, dass sie ihn so bedrängt hatte. „Sie schickten deinem Vater die Nachricht, du wärst bei der Belagerung getötet worden.“ Nairna legte ihm die Hand auf den Arm. Sie konnte nur hoffen, dass seine Familie ihn nicht wirklich im Stich gelassen hatte. „Vermutlich kannte keiner die Wahrheit. Es tut mir so leid.“
Ihre Worte änderten kaum etwas an seiner düsteren Stimmung. Bram trieb die Pferde wieder an, und der Wagen rumpelte den Weg entlang.
Langsam wurde es Abend. Der Nebel lichtete sich so weit, dass sie den vor ihnen liegenden Pfad erkennen konnten. Nahe einem Abhang und an allen Seiten von einem tiefen Graben umgeben lag die Burg, die von Robert Fitzroy, Baron of Harkirk, verteidigt
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