Historical Collection 04
Unschuldiger vergießen wollen. Aber wenn du Bois der Kammerfrau etwas antat, die Emma so sehr am Herzen lag, würde er nicht zögern, ihm dies mit gleicher Münze zu vergelten. Er hatte lediglich dem Dünkel des Mannes eine Kerbe beifügen wollen – hatte seine eigene Stärke unter Beweis stellen wollen; eine Stärke, die ihn eine Hölle hatte überleben lassen, der die wenigsten getrotzt hätten.
Doch dafür, dass er Emma die Tränen in die Augen getrieben hatte, würde du Bois teuer bezahlen.
„Er wird das Mädchen finden.“
Die Worte des Verletzten waren nicht mehr als ein trockenes Krächzen.
Zunächst dachte Emma, sie habe sich das Gesagte nur eingebildet, denn in all den Stunden, die sie nun schon mit dem Mann allein war, hatte er keine Silbe gesprochen. Es war ein langer Tag gewesen. Die Sonne war auf- und wieder untergegangen, ohne dass eine Nachricht von Gareth oder dessen Männern sie erreicht hatte. Und mit jeder Stunde, die verstrichen war, war ihre Angst um Rowena und sich selbst gewachsen.
Wer würde sie vor der Rachsucht ihres Cousins schützen, wenn Gareth nicht zurückkehrte? Noch immer hallten die Zärtlichkeiten der letzten Nacht in ihr nach, und Emma wusste, dass sie weit mehr vermissen würde als nur seinen Schwertarm. Er hatte sie mit einer Behutsamkeit behandelt, die sie verblüfft hatte und in ihr die Frage aufwarf, wie sie es für den Rest ihres Lebens in einem Kloster aushalten sollte. Auf keinen Fall jedoch konnte sie als Gareths geraubte Mätresse, als gefallene Frau hierbleiben.
Sogleich machte sie sich daran, sich eine Strategie zurechtzulegen, um diese halb fertige Burg zu verlassen und ins Kloster zu gelangen. Vielleicht würden die Nonnen sie ja auch ohne eine Schenkung aufnehmen, sofern sie ihnen ihre Lage auseinandersetzte. Dann würde sie gar nicht erst nach Edenrock zurückkehren müssen.
„Ihr müsst Euch nicht sorgen“, vernahm sie abermals die gedämpfte Stimme. Emma erkannte, dass der Verletzte die Lippen bewegte, ganz behutsam, da sein Kiefer, wie sie mutmaßte, gebrochen war.
Die gespaltene Lippe war wahrlich sein geringstes Problem.
„Ich werde mich nicht sorgen, wenn Ihr im Gegenzug schweigt“, erwiderte sie und wusch den blutigen Lappen aus, um ihn auszuwringen und dem Mann damit über die Wange zu fahren. „Ihr braucht Ruhe, um zu gesunden.“
„Wie kann ein Mann Ruhe finden, wenn die Hände seiner Pflegerin vor Angst zittern?“ Er ergriff ihre Finger und gebot ihrer Fürsorge damit Einhalt. „Ihr kennt Gareth nicht so gut wie ich, und ich versichere Euch, er wird Eure Freundin aufspüren und sie unverzüglich zurückbringen.“
Emma erinnerte sich daran, wie blutrünstig ihr dieser Mann gestern noch erschienen war, als sie entsetzt hatte mit ansehen müssen, wie er Rowena den fleischigen Unterarm um den Leib geschlungen hatte.
„Vergangene Nacht, bevor der Mond aufging, habt Ihr Rowena noch eine Klinge an die Kehle gehalten.“ Es überraschte sie, wie wütend sie war. Sie fühlte sich von ihrem Cousin Hugh im Stich gelassen, war gegen ihren Willen von Edward verlobt und von Gareth entführt worden, und dann hatte Letzterer sie auch noch aufgefordert, ihre Ehre zu opfern und bei ihm zu bleiben.
Der Affront allerdings, der sie am schmerzlichsten traf, war die Bedrohung, der Rowena ausgesetzt gewesen war.
Sie hatte all die Stürme in ihrem Leben nur dank dieser Freundin überstanden, denn diese hatte sie stets mit Zähnen und Klauen verteidigt. Nun kam sie sich verloren vor. Verängstigt. Und sie war wütend, weil sie nichts für die Frau tun konnte, die in all den Jahren ihr unerschütterlicher Fels in der Brandung gewesen war.
„Ich habe ihr kein Haar gekrümmt“, protestierte er und zuckte prompt zusammen. Er ließ ihre Hand los und sank zurück aufs Bettzeug, das man vor dem Kamin unter ihm ausgebreitet hatte. „Sie sagte mir, Ihr wäret überall besser aufgehoben als bei du Bois.“
„Das kann sie unmöglich gesagt haben.“ Emma vermochte sich nicht vorzustellen, dass Rowena ihrem Entführer etwas Derartiges mitgeteilt haben sollte, hatte dieser ihr doch einen Schrecken eingejagt, gewaltig genug, um sie in Ohnmacht fallen zu lassen.
„Und ob.“ Er machte sich nicht die Mühe, die Augen zu öffnen, und seine Züge regten sich beim Sprechen kaum. Dennoch hätte Emma schwören können, eine Spur Erheiterung in seiner Stimme zu hören. „Hat gemeint, du Bois’ Männer wären dreckige Schweine.“
Das stimmte allerdings, wie Emma
Weitere Kostenlose Bücher