Historical Collection 04
spürte, wie sie die Arme kurz anspannte, ehe sie darum bat, heruntergelassen zu werden. Zu spät erkannte Gareth, dass die einem Helden zustehende Begrüßung keineswegs ihm galt, sondern der jungen, zur Ohnmacht neigenden Kammerfrau.
Emma schloss ihre Freundin in die Arme und drückte sie fest an sich, wobei sie das Gesicht dem Mondlicht zuwandte, als wolle sie dem Himmel danken.
„Du bist in Sicherheit“, wiederholte sie ein ums andere Mal und vergoss Tränen der Erleichterung, die auf Rowenas zerrissenen Surcot tropften. „Hat man dir etwas angetan?“
„Ich bin wohlauf“, murmelte die Kammerfrau und begegnete Emmas prüfendem Blick. „Lord Gareth ist ein Recke, wie ich noch keinen erlebt habe.“
Sie schaute dankbar zu ihm auf, doch Gareth war mehr daran gelegen zu sehen, wie diese Aussage auf Emma wirkte. Sie streifte ihn flüchtig mit einem Blick, in dem Unbehagen mitschwang, als sei ihr just die hitzige Auseinandersetzung unmittelbar vor seinem Aufbruch in den Sinn gekommen.
Es würde nicht leicht sein, sie von seinen lauteren Absichten zu überzeugen, erkannte er.
„Ihr habt Wort gehalten“, gestand sie ihm zu. „Habt Dank.“
Als sei seinem Beitrag damit Genüge getan, wandte sie sich erneut ihrer Kammerfrau zu.
Schmerz und Entkräftung setzten ihm schon seit Stunden arg zu, doch beides verblasste vor dem Umstand, derart grob abgespeist zu werden.
Er schwang sich vom Pferd, wobei er darauf achtete, nicht zusammenzuzucken, und reichte die Zügel einem der Stallburschen. All seine Männer kamen herbei und umringten sie. Die gesamte Burg war auf den Beinen, um zu sehen, welchen Ausgang sein Auftrag genommen hatte.
„Wie geht es Bronson?“, fragte er, als er seinen Freund nirgends im Gewühl entdecken konnte.
„Er liegt in Euren Privatgemächern und ruht sich aus.“ Emma schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Auf Schapel und Schleier hatte sie verzichtet. „Sein Kiefer ist gebrochen, und auch einige Rippen haben etwas abbekommen, aber er wird sich erholen.“
„Ich würde gern zu ihm“, verkündete Rowena und wandte sich dem bereits fertigen Steingebäude zu, in dem sich die Wohngemächer befanden.
Emma hakte sich bei ihrer Freundin unter.
„Ich komme mit.“ Offenbar hatte sie kein Problem damit, Gareth einfach stehen zu lassen – so geschwächt von der Wunde, die Emma überhaupt nicht zur Kenntnis nahm, dass er schwankte.
„Nay.“ Mit dem gesunden Arm hielt er sie zurück, hielt er sie bei sich. „Wir müssen reden.“
Die Menge um sie her hatte es plötzlich eilig, sich zu zerstreuen. Seine Männer hatten den warnenden Tonfall erkannt.
„Vielleicht können wir uns später unterhalten“, flüsterte die Kammerfrau Emma zu, allerdings laut genug, dass Gareth es hörte. Sie knickste und huschte in Richtung Wohnturm davon.
Emma blieb zurück und musterte ihn im schwachen Licht der schmalen Mondsichel, die über den Bäumen stand.
„Ich würde mich wirklich gern um meine Freundin kümmern. Immerhin habe ich mich auch um Euren Vertrauten gekümmert.“ Der frostige Hauch in ihren Worten sagte ihm, dass die Gleichgültigkeit ihm gegenüber nicht allein der Rückkehr der Kammerfrau geschuldet war. Sie zürnte ihm, weil er sich weigerte, auch nur in Betracht zu ziehen, sie ins Kloster gehen zu lassen.
Und vielleicht auch, weil er es nach allem, was zwischen ihnen geschehen war, verabsäumt hatte, um sie anzuhalten. Er hatte nach dem folgenschweren Geschenk, das sie ihm gemacht hatte, nicht an die Empfindsamkeit ihrer Gefühle gedacht.
Noch einmal meinte er ihre entzückten Schreie zu vernehmen, die vergangene Nacht keinen Zweifel daran gelassen hatten, dass sie ihrer beider Vereinigung überaus genossen hatte.
„Rowena ist unversehrt“, beschied er ihr. Der Schmerz im Arm, den er zu lange verdrängt hatte, ließ ihm den Schädel pochen. Die flache Seite einer Schwertklinge hatte ihn an der Schulter getroffen, und solange er den Arm nach hinten gedrückt hielt, spürte er ihn nicht. Stattdessen hatte sich die Pein hoch in seinen Kopf gezogen, und Emmas unterkühltes Gebaren hatte sie verstärkt. „Ich habe viel riskiert, um sie, wie versprochen, unbeschadet zurückzuholen.“
Eine Weile schwieg sie, bis sie schließlich eine Faust in die Hüfte stemmte und ihn abschätzig ansah.
„Allein Eure Rachsucht hat Euch getrieben, sie unbeschadet zurückzuholen.“ Sie spie ihm das Wort „Rachsucht“ entgegen, als habe es einen üblen Geschmack. „Und obgleich ich –
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