Historical Collection 04
wusste. Wenn Rowena ihrem Häscher solche Dinge eröffnet hatte – taugte dieser in ihren Augen somit mehr als die Kerle, die Edenrock an sich gerissen hatten?
Sie fragte sich, ob das Leben unter Edwards Knute für ihre Freundin schwerer gewesen war, als diese sie hatte wissen lassen. Emma hatte sie nicht immer beschützen können, denn schließlich war Rowena als Kammerfrau gezwungen gewesen, sich bei den übrigen Bediensteten aufzuhalten.
Ein furchtbarer Verdacht beschlich sie. Hatte man Rowena gegen ihren Willen die Unschuld geraubt? Immerhin hatte sie Emmas Plan, sich die Jungfräulichkeit nehmen zu lassen, vehement abgelehnt.
„So habt Ihr hart gekämpft, um sie zu retten?“, fragte sie, einer jähen Eingebung folgend, denn mit einem Mal sah sie Bronsons Verletzungen in einem ganz neuen Licht.
Womöglich hatte er geschlafen, denn ihre Stimme schreckte ihn offenbar auf. Aber er nickte.
„Wie der Teufel selbst.“
Tränen brannten Emma in den Augen. Sie hatte ja nicht geahnt, wie sehr Rowena gelitten hatte, war blind gewesen, was die prekäre Stellung ihrer Freundin in Edwards Haushalt anging. Sie würde dafür sorgen, dass sie beide möglichst rasch Aufnahme in einem Kloster fanden – und damit in Sicherheit waren.
Und falls die Erinnerung an ihre Nacht mit Gareth es ihr erschweren sollte, das Keuschheitsgelübde abzulegen und den Rest ihrer Tage danach zu leben? Nun, sie würde Kraft aus den schützenden Steinmauern um sie her ziehen.
Zudem hatte sie nicht vergessen, was Gareth kurz vor seinem Aufbruch gesagt hatte – er hatte geschworen, seinen Rachefeldzug umso gnadenloser voranzutreiben. Emma durfte nicht außer Acht lassen, dass sie lediglich Teil seines Plans war. Ganz gleich, wie zärtlich er sie auch umschlungen hatte, sie war der Schlüssel zu seiner Vergeltung – mehr nicht.
„Habt Dank“, flüsterte sie und neigte sich vor, um Bronson auf die rechte Wange zu küssen, eine der wenigen Stellen in seinem Gesicht, die nicht geschwollen war oder blutete.
Und was, wenn Gareth in einer ähnlichen Verfassung heimkehrte? Sie konnte nicht leugnen, dass sie um seine Sicherheit bangte. Aber gab ihr dies nicht umso mehr Anlass, von hier zu verschwinden?
Sie betete darum, dass sowohl Gareth als auch Rowena unbeschadet zurückkehren würden, und schwor sich, dass kein Mensch, der ihr am Herzen lag, je wieder ihretwegen leiden sollte. Wenn das hieß, dass sie jedwede Hoffnung auf eine romantische Liebe dem Schleier opfern musste, so würde sie sich schon irgendwie damit abfinden.
6. KAPITEL
G areth hatte obsiegt.
Emmas Kammerfrau hinter sich auf dem Pferd, näherte er sich dem Hof, der seine zerstörte Burg umgab. Hoch über dem Wohnturm, der sich im Wiederaufbau befand, stand der Mond am Himmel. Es fiel Gareth nicht leicht, den siegreichen Helden zu mimen, denn ein Arm baumelte nutzlos herab – die Verletzung ging auf Edwards Kappe. In seiner Erschöpfung gaukelten seine Sinne ihm vor, er sei wieder in der gottverdammten Wüste.
Umgeben von Feinden. Ihrer Sprache nicht mächtig. Mit aufgeschlitztem Bauch, einer brandigen Wunde, die nicht heilen wollte.
„Rowena!“
Der Wind trug ihm die Stimme eines Engels zu und zog ihn zurück in die Gegenwart, in der sein Pferd ihn gen Heimat trug – einer Burg, die du Bois in Trümmer gelegt hatte, um zu vertuschen, wie er dort gewütet hatte. Gareth hatte sie wieder an sich gerissen, sobald er nach England zurückgekehrt war. Er war damals ebenso siegreich gewesen wie heute Nacht, da er Emmas Vertraute zurückerobert und du Bois in die Flucht geschlagen hatte. Edward du Bois war hinaus in die Nacht geflohen.
Niemand wird mich je wieder bezwingen.
Mühsam hob er die Lider und erblickte Emma, die auf ihn zueilte. Einer seiner Männer war ihr auf den Fersen und hatte sein Schwert gezückt, als erwarte er, dass sich jemand aus dem Schatten auf sie stürzte und sie fortschleppte.
Für diese Umsicht würde Gareth ihn entlohnen. Denn mochte er sich auch von keinem Mann je wieder bezwingen lassen, war er sich ziemlich sicher, dass Emma ihn längst erobert hatte.
Er konnte es kaum erwarten, sie mit seinem unversehrten Arm an sich zu drücken und die Begrüßung zu erhalten, von der er träumte, seit er ihre Kammerfrau gefunden und fünf Kerle bezwungen hatte, um sie zu befreien. Zwei waren schließlich geflüchtet, und der Kampf war recht unappetitlich verlaufen.
Aber Gareth hatte gewonnen.
Die Kammerfrau hinter ihm erwachte und regte sich. Er
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