Historical Collection 04
selbst für eine so mutige Frau wie sie als zu groß. Wie zum Henker war sie hierhergekommen? Die Wut, die er eine Weile im Zaum gehalten hatte, brach sich jetzt umso heftiger Bahn.
„Ein bisschen ungeduldig, was?“ Der Versteigerer richtete sich grinsend auf. „Kann ich gut verstehen, bei dieser süßen kleinen Frucht. Würde ich selbst gern mal reinbeißen.“
Noch ein Wort, und ich bringe dich um, dachte Patrick erbost. Zwar war er alles andere als ein keuscher Heiliger und genoss die Freuden des Fleisches gewiss ebenso sehr wie jeder andere Mann. Aber der Gedanke an die selbstsüchtigen Gelüste, mit denen viele Frauen in Schrecken gehalten wurden, machte ihn krank. Wer sich nicht darum kümmerte, ob die Frau, mit der er das Bett teilte, Vergnügen an seiner Umarmung fand oder nicht, war seiner Meinung nach kein Mann.
Zwei von den Aufsehern des Bordells bewegten sich auf Laurel zu, und Patrick sprang auf die Bühne und fing sie in seinen Armen auf, sobald sie ihr die Fesseln gelöst hatten. Sie fühlte sich kalt an unter dem dünnen Hemd, aber seine Wärme schien sie zu beleben, und sie begann sich zu regen.
„Sie sind in Sicherheit“, flüsterte er ihr zu. „Ich halte Sie fest.“ Er hatte sie bisher noch nie berührt, und jetzt kam es ihm so vor, als würde er in Flammen stehen – vor Angst um Laurel und in dem dringenden Bedürfnis, sie beide von hier fortzubringen.
Langsam öffnete sie die Augen und sah ihn an. Patricks Herz machte einen Sprung, wie schon an jenem letzten Tag in Martinsdene. Für gewöhnlich gab er sich mit erfahrenen Frauen ab, die bereit waren, ein flüchtiges Abenteuer mit ihm zu erleben – vernachlässigte Ehefrauen, lebhafte Witwen, aber niemals unschuldige Mädchen. Auch jetzt wunderte er sich über die Leidenschaft, die Laurel in ihm weckte, außerstande, sich dagegen zu wehren.
„Sie“, sagte sie mit unverhohlenem Abscheu. „Wie konnten Sie nur?“
Patrick neigte den Kopf zu ihr hinunter. „Still, Laurel. Ich werde Sie hier herausholen“, beteuerte er leise. „Geben Sie vor, Angst zu haben, bis wir das Schlafgemach erreichen. Sie beobachten uns.“
Er spürte, wie sie erstarrte, aber sie antwortete: „Gut.“ In ihren Augen las er nur bitteres Misstrauen, aber jetzt war nicht der Moment, darauf einzugehen.
Er trug sie die Treppe hinauf, während hinter ihm schrille Pfiffe und zotiges Gejohle laut wurden. Doch Patrick ließ sich davon nicht beirren, sondern konzentrierte sich allein darauf, Laurel vor dieser Meute zu retten. Die Tür zum Schlafzimmer wurde mit spöttischer Feierlichkeit aufgerissen und hinter ihnen wieder geschlossen. Dann waren sie allein.
2. KAPITEL
P atrick stellte Laurel auf die Beine und trat zurück, den Blick finster auf sie gerichtet. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und Laurel sah – als hätte sie in diesem Moment die Fähigkeit, sehr viel mehr wahrzunehmen als sonst –, dass seine Hand ein kleines bisschen zitterte. Begierde. Er hatte den Geruch nach Rauch und Schnaps und gemeiner Wollust mit sich gebracht, und Laurels leerer Magen rebellierte dagegen. Ein Mann, ein Tier, genau wie alle anderen.
Sie spürte Übelkeit in sich aufsteigen und schluckte mühsam. „Sie Untier! Wie konnten Sie nur? Ich habe Ihnen vertraut, ich mochte Sie sogar gern.“ Ich begehrte Sie. Die Wahrheit traf sie zu schmerzlich, nur ihre Wut schien ihr jetzt noch Kraft geben zu können. „Dabei gehören Sie zu den Männern, die … so etwas tun!“
„Sie retten?“, warf er heftig ein.
„Das soll ich Ihnen glauben?“ Sie bemerkte ein mit Fransen besetztes Schultertuch auf dem Bett und schlang es um sich, um ihren fast nackten Körper vor seinen Blicken zu verbergen. „Sie wussten doch gar nicht, dass ich nach London kommen wollte, geschweige denn, dass ich von diesen … Unmenschen entführt worden bin. Versuchen Sie nicht, mir den Retter in der Not vorzuspielen. Was für ein Dummkopf ich bin! Nie hätte ich mir vorgestellt, Sie könnten die Art Mann sein, die an einen solchen Ort kommt, um eine Jungfrau zu kaufen.“
Er machte eine Bewegung, als wollte er die Hand nach ihr ausstrecken, doch Laurel wich vor ihm zurück. „Was tun Sie hier in London?“, herrschte er sie an und ließ die Hand sinken, die Lippen in offensichtlicher Wut zusammengepresst. Er hatte sich nicht verteidigt – aber wie sollte er auch?
„Sie sagten, Sie seien von Meg Halgate nach Martinsdene geschickt worden, um nach ihren Schwestern zu suchen.“
„Das
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