Historical Collection 04
im Umgang mit Tieren anpries und ihren Preis verdoppelte.
Khadin wusste nicht, was über ihn kam, aber er schlug alle Vernunft in den Wind und lenkte seinen Hengst auf die Frau zu. Mit einer fließenden Bewegung beugte er sich hinab, hob sie zu sich aufs Pferd, riss sich einen Smaragd vom kaftan und warf ihn dem Händler als Bezahlung zu.
Die Sklavin wehrte sich und versuchte ihm mit den gebundenen Händen das Gesicht zu zerkratzen. „Lasst mich los!“, rief sie.
„Hör auf“, befahl er und zog ihre Fesseln straff. „Es sei denn, du willst, dass ich dich zurückbringe, damit du erneut feilgeboten wirst.“
Daraufhin war sie still und mühte sich lediglich, ihre Blöße zu bedecken. Khadin löste seinen Umhang und legte ihn ihr um, ehe er die Stricke an ihren Handgelenken durchschnitt. Die Frau zitterte und umklammerte den Stoff des Umhangs, als wolle sie damit verschmelzen.
Bei allem, was heilig war – wieso nur hatte er sie gerettet? Sie war bloß eine Sklavin. Es war nicht von Belang, welchem Mann sie gehörte oder was dieser mit ihr tat. Wer war er denn, dass er Einfluss auf ihr Schicksal nehmen durfte?
Sein Leben war so gut wie verwirkt. In wenigen Tagen, wenn nicht gar Stunden schon mochte er tot sein. Diese Frau an sich zu binden war weder redlich noch richtig. Besser, er übergab sie dem Harem, auf dass dort ein Platz für sie gefunden wurde.
Er trieb sein Pferd an und schlang der Frau einen Arm um die Taille. Da erst sah er, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie sagte kein Wort, doch ihr kerzengerader Rücken kündete davon, dass sie um Haltung rang.
„Wie heißt du?“, fragte er sanft.
„Laila binte Nur Hamidah.“ Sie sprach gemessen, als kämpfe sie um Selbstbeherrschung. „Wer seid Ihr?“ Sie legte die Hände auf die Mähne des Hengstes, so als ziehe sie Kraft aus dem Tier. „Wohin bringt Ihr mich?“
„Zum Topkapi-Palast.“ Die erste Frage ließ er vorsätzlich unbeantwortet, denn er wollte die Frau nicht wissen lassen, wer er war, solange er nicht entschieden hatte, was er mit ihr anfangen sollte. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die furchtlos einem steigenden Pferd entgegentrat. Eine gleichmütige Gelassenheit umgab sie, eine Art von Beherztheit, der er Bewunderung zollte.
„Du bist noch nicht lange eine Sklavin, habe ich recht?“, hakte er nach.
„Ich bin Beduinin“, erwiderte sie. „Mein Vater war Stammesführer.“
Das erklärte ihren aufrechten Stolz und ihre Fertigkeit im Umgang mit Pferden. Die Beduinen waren für ihre glückliche Hand mit Tieren berühmt, und Khadin selbst besaß zahlreiche Araberpferde, die von den Nomaden zugeritten worden waren.
„Wer seid Ihr?“, fragte sie abermals.
Er zögerte und wählte seine Worte mit Bedacht. „Nenn mich Khadin.“ Den Namen seiner Familie verschwieg er bewusst. „Der Sultan ist mein Herr“, fügte er jedoch an.
Und mein Vater. Süleyman, den das Volk den „Prächtigen“ nannte, grollte noch wegen seines fehlgeschlagenen Versuchs, Malta einzunehmen, und dass Khadin die Grenzen seiner eigenen Provinz nicht hatte ausdehnen können, stimmte den Sultan nicht eben zufriedener. Schon vor über einer Woche war Khadin in den Palast zurückgekehrt, doch noch immer hatte sein Vater ihn nicht zu sich rufen lassen. Er war äußerst kühl empfangen worden, und die allgemeine Haltung ihm gegenüber verhieß nichts Gutes.
Khadins älterer Bruder Mustafa war bereits durch des Vaters Hand gestorben, weil dieser geglaubt hatte, Mustafa habe sich mit dem Schah von Persien zusammengetan. Khadin argwöhnte, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen mochte, sollten seine Feinde seinem Vater Lügen eingeflüstert haben.
Die quälende Warterei zehrte an ihm. Er vermutete, dass der Zeitpunkt seines Todes näherrückte, denn erst heute Morgen war ein weiteres Sklavenmädchen nach dem Vorkosten seiner Speisen gestorben. Gift und Erwürgen waren die bevorzugten Tötungsmethoden, denn das Blut eines Prinzen zu vergießen war tabu. Wahrscheinlich würde er eines Nachts mit einer Seidenkordel erdrosselt werden.
Er musste seinen Vater irgendwie davon überzeugen, dass er weder eine Bedrohung für das Reich noch für den Thronfolger Prinz Selim darstellte. Ihm war es viel lieber, fernab des Topkapi-Palastes über seine eigene Provinz Nerassia zu herrschen. Zweifellos hing sein Leben davon ab, ob es ihm in den nächsten Tagen gelingen würde, den Sultan zu begütigen.
Sie näherten sich den Toren des Palastes. Der Torbogen ragte hoch
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